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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Warnung gewesen sein oder auch nur der Beweis fliegerischen Könnens, wir wissen es nicht. Wahrscheinlich hat dabei einer der Flugkörper den Hitzeschild eines anderen gerammt und ist explodiert. Um den genauen Hergang zu ermitteln, würden wir viele Stunden benötigen. Alle Aufzeichnungen müßten mit verzögerter Bildfolge abgefahren und ausgewertet werden.
    Diese Zeit haben wir nicht. Uns bleiben noch rund neunundfünfzig Stunden.
    »Sagten Sie: ›Treffer‹, Lieutenant Balmein?« fragt der Commander eisig. »Ich weiß nicht, woher Sie Ihren Optimismus nehmen, wirklich. Mein Gott, mir ist, als hätten wir versucht, Falken mit einem Fön zu erlegen. Wissen Sie, was mit dem da geschehen ist, Balmein?« Er deutet auf den Bildschirm, wo sich ein kleines weißes Wölkchen auf die Küste Australiens niedersenkt. »Ich glaube, daß er sich über uns totgelacht hat. Das wird es sein.«
    Die anderen vier aber sind längst untergetaucht in der glasigen Bläue über dem Ozean.
    Nach und nach melden sich die mittleren Dienste aus dem Bauch der Station. Die Beschädigungen halten sich in Grenzen. Man wird sie in Kürze mit bordeigenen Mitteln behoben haben.
     
    Trotzdem wird die Odin in der nächsten Stunde nicht einsatzfähig sein, ein toter Brocken, der um die Erde kreist, ein Stein, unter dessen zernarbter Haut Menschen dahinvegetieren.
    Denn der Energieverbrauch für die sekundenlangen Laseremissionen war viel zu hoch, um durch unseren Reaktor in einer akzeptablen Zeit ausgeglichen zu werden. Die Anzeige unter dem Hauptschirm zeigt auf weniger als sieben Prozent vom Maximum. Die Bordbatterien sind also praktisch erschöpft.
    Unter uns zieht das Atlantisch-Indische Südpolarbecken hindurch. Wir haben Glück im Unglück. In etwa fünfzehn Minuten werden wir in den Tankbereich der Versorgungsstation achtzehn in der Astronautenbucht einfliegen. Der Strahlspiegel der dortigen Anlage steht in einer Höhe von rund zweitausend Metern auf dem Mount Napier, eingesprengt in die vereisten Granitfelsen des Nordhanges. Sein Schwenkbereich überstreicht mehr als die gesamte Antarktische Scholle vom Südaustralischen Becken bis zur Ruppertküste und von den südlichen Orkney-Inseln bis hinüber zur D’Urville-See.
    Die Station achtzehn auf dem Mount Napier ist eine der aufwendigsten Anlagen des Zusatzversorgungssystems, dessen einzelne Komplexe sich in der Nähe der beiden Pole, des südlichen und nördlichen Wendekreises und des Äquators konzentrieren. Diese einzige Station der Antarktis wird von mehr als vierhundert Menschen betreut, fast ausschließlich hochbezahlten Mitarbeitern, die über eine Spezialausbildung verfügen und dementsprechend hohe Ansprüche an die Lebensumstände im ewigen Eis stellen.
    Doch selbst das ist kaum der Rede wert, denn allein der Energieverbrauch der Napierstation benötigt ein Vielfaches an Aufwand, entspricht er doch etwa dem einer Großstadt wie New York an einem kalten Wintertag. Für nichts anderes als die Möglichkeit optimierter Vernichtung von Millionen Menschen werden diese Mittel eingesetzt. Es ist unbegreiflich und deprimierend zugleich.
    Und trotzdem muß ich mir eingestehen, daß jener aus der Nacht der Erde zu uns heraufstechende Balken energiereichen Lichtes eins der beeindruckendsten Schauspiele bietet, die ich jemals gesehen habe.
    Es ist, als habe die Odin einen gewaltigen, leuchtenden Arm ausgestreckt, mit dem sie das Mark aus dem Planeten saugt, ein phantastischer Krake, der sich mit glühendem Tentakel an den Hort allen Lebens klammert und nun langsam über sein sterbendes Opfer hinweggleitet.
    Ein so grausig-schönes Bild, daß es das Blut in den Adern erstarren läßt. Welch eine Perversion des Verhältnisses von Gefühl und Vorgang!
    Die Ziffern der Anzeige lösen einander ab, unsere Bordbatterien beginnen sich mit neuer Energie aufzuladen.
    Doch der leuchtende Tentakel des Kraken verlischt, bevor wir den Tanksektor des Mount Napier auch nur halb überquert haben. Der Commander steht wie erstarrt und blickt auf die Instrumente, in deren Fenstern die Ziffernkolonnen zum Stehen gekommen sind.
    »Verflucht!« murmelt er schließlich. Und dann, sich straffend und mit der Hand zwischen die Verschlußleisten seines Goldskaphanders fahrend: »Geben Sie mir unverzüglich den Diensthabenden der Station achtzehn, Lieutenant Graves!«
    Auf einem der Bildschirme taucht ein junges Gesicht auf. Ein wenig unsoldatisch sieht es aus mit den vollen Wangen, dem weichen Mund und den sehr hellen

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