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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Hand ein. Was bleibt dir anderes übrig?
    Später dann sitzt du mit an ihrem Tisch, ohne Interesse das Hin und Her registrierend, den Reichtum Brakes, der nicht länger als eine halbe Stunde anhält, Bergersons sozialen Abstieg zum Habenichts und Newmans erfolgreiche Spekulationen, Verhältnisse, die sich bald darauf total umkehren. Du trinkst deinen Ginol-Tonic, ein Harzderivat mit leicht säuerlichem Wacholderbeergeschmack, kaum alkoholhaltig und doch mit den momentanen Folgen eines Vierzigprozentigen, allerdings ohne jede Nachwirkung. Brake bezeichnet Ginol-Tonic als Segen für die Menschheit, dir ist es einerlei, denn du würdest nie solche Mengen Alkohol trinken, daß du Nachwirkungen zu befürchten hättest.
    Gegen Mitternacht knallt Newman sein Blatt plötzlich auf den Tisch und springt auf. Hinter ihm stürzt der Sessel mit Gepolter um. Doch niemand um uns her nimmt den Lärm zur Kenntnis, hier brauchte es mehr, um die Decke aus Trägheit zu zerreißen.
    »Da bin ich also tatsächlich fertig!« stellt Newman fest, leise noch, aber schon hochrot im Gesicht. »Ein verdammt hinterlistiger Hund bist du, Brake!«
    Lester Brake quittiert den Angriff mit Gelächter. »Sei froh«, sagt er schließlich schleppend, »daß du nicht Börsenmakler geworden bist. Dein Mangel an Selbstdisziplin hätte dich längst an den Bettelstab gebracht.«
    Da brüllt Newman los. »Nehmen Sie Haltung an, Sie gottverdammter Zivilist!« schreit er mit einer Stimme, die sich fast überschlägt. Doch dann, als er Lester Brake entsetzt aufspringen sieht, als er gewahr wird, daß ringsum die Hoffnung auf eine Sensation hochschießt, bricht auch er in Lachen aus. Aber das ist kein Lachen, das in irgendeiner Weise befreiend wirken könnte, es klingt wie das Knurren eines gereizten Hundes.
     
    Sie nehmen das Spiel nicht wieder auf. Nach Newmans Ausbruch, obwohl nachträglich als Scherz deklariert, bleibt Spannung zurück. So teilen sich Brake und Bergerson ihren Gewinn und sitzen danach schweigend am Tisch, die Gläser mit dem träge perlenden Ginol-Tonic vor sich.
    Es mag gegen ein Uhr sein, als Bergerson und Newman, die mit den Gesichtern zur Tür sitzen, aufblicken, Newman spitzt die Lippen zu einem lautlosen Pfiff, und Bergerson sagt: »Sieh mal einer an! Noch so ein seltener Gast.«
    Solch eine Reaktion kann hier an Bord nur eine auslösen, Dora. Selbstverständlich blickst du dich nicht um, aber du spürst deutlich, daß sie noch immer in der offenen Tür der Messe steht, und auch, daß ihre Blicke suchend die Gäste überfliegen. Es ist, als gingen unsichtbare Fäden von ihr aus, die deine und ihre Emotionen miteinander verbinden, einen Augenblick lang empfindest du Betroffenheit über die Intensität deiner Gefühle.
    Und dann siehst du das Gesicht Lilianas, die immer noch drüben neben dem offenen Kantinenfenster sitzt. Jede Spur ihres schönen Lächelns ist ausgelöscht, statt dessen haben sich ihre Mundwinkel nach oben gezogen und geben einen Teil ihrer kleinen, sehr weißen Zähne frei, es sieht aus wie die Drohgebärde einer in die Enge getriebenen Katze.
    Doch das alles vergeht ebenso schnell, wie es gekommen ist. Lilianas Lächeln kehrt zurück, jetzt offenbar ein wenig gezwungen, was bleibt, ist eine hübsche, blonde Frau, die verloren in ihr halbleeres Glas mit gedoptem Juice starrt.
    Danach spürst du nur noch Dora. Sie kommt näher, sehr langsam anscheinend und direkt auf diesen Tisch zu, du fühlst es nicht mehr nur, du siehst es auch an den Mienen der beiden Männer dir gegenüber.
    Sobald sie nahe genug herangekommen ist, spricht Newman sie an, weit weniger flapsig, als es seinem üblichen Umgangston Frauen gegenüber entspricht, aber immer noch mit unüberhörbarer Ironie, von der man nicht weiß, ob sie der Unsicherheit oder der Arroganz entspringt. »Hallo, Miß!« sagt er und rückt an dem einzigen freien Stuhl. »Wir haben noch Platz für Sie. Es wäre uns eine Ehre.«
    Sie trägt Zivil, einen rosa Overall, der gut zu ihrem brünetten Typ paßt, hochhackige Stiefeletten und dünne goldene Fesselkettchen. Sie wendet sich nicht, den Kopf in den Nacken werfend, ab, sie stellt sich den Stuhl zurecht und setzt sich, ein Lächeln um den Mund, an dem ihre Augen keinen Anteil haben. »Guten Abend!« sagt sie mit ihrer dunklen Stimme.
    Da weißt du, daß ihr Auftritt Absicht war. Dieses Zusammentreffen ist geplant bis ins kleinste Detail, bis hin zu der Einladung Newmans, die sie als Belästigung empfinden muß und die sie

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