Lautlos im Orbit (1988)
Doras Verhalten müsse sich ein Geheimnis verbergen, das mir eines Tages zum Verhängnis werden könnte.
Newman und Brake verlassen die Zentrale. Als Harold Newman hinter dem Sessel der Zielanlage entlanggeht, bleibt er plötzlich stehen und legt mir beide Hände auf die Schultern.
»Mach dir nichts draus, Phil«, sagt er, und ich glaube aus seiner Stimme tatsächlich eine Spur von Anteilnahme herauszuhören. »Versuch das Ganze von der positiven Seite zu nehmen. Wenn es schon dir nicht gelungen ist, die Dinger abzuschießen, dann kann es keiner. Auch die Russen nicht.«
Dann verschwindet er endlich, und je länger ich seinen Worten nachlausche, um so sicherer bin ich, daß sie ehrlich gemeint waren.
Brake geht zwar wortlos, aber auch er berührt meinen Arm. Anders als Newman, zögernd, fast wie unabsichtlich.
Das waren Gesten, die ich nicht erwartet hatte, die mir in einer anderen, einer ganz anderen Situation wahrscheinlich gutgetan hätten, jetzt und hier machen sie mich betroffen, weil sie mir etwas geben, was ich nicht haben will. Nicht von denen.
Schließlich geht auch Glenn Morris. Mit einem Lächeln, das um eine Spur breiter geworden ist. Nur gut, daß er sich der allgemeinen Beileidsbezeigung nicht auch noch anschließt.
Am späten Abend löst mich Howard Skelton ab. Da ich nicht überzeugt bin, nach den Ereignissen dieses Tages sofort einschlafen zu können, entschließe ich mich zu einem Besuch der Offiziersmesse. Es ist einer der Entschlüsse, die eine gewisse Überwindung voraussetzen, denn ich habe stets das Gefühl, im privaten Umgang mit meinen derzeitigen Kameraden noch mehr Vorsicht walten lassen zu müssen als im Dienst, wo mich die Konzentration auf meine Arbeit abschirmt. Bei außerdienstlichen Begegnungen vermag ich mich nie richtig zu entspannen, auch angesichts der in der Messe üblichen Blödeleien nicht. Immer bin ich irgendwie auf dem Sprung, versuche sowohl mein eigenes wie auch das Verhalten der anderen zu analysieren, fürchtend, durch ein vorschnelles Wort, eine unbedachte Geste eine Bresche in die mühsam errichtete Tarnung zu schlagen. Solche Abende sind anstrengender als nächtelanger Dienst.
Drüben in der Ecke neben dem geöffneten Kantinenfenster sitzt Liliana Brix, allein an einem Zweipersonentisch, hingebungsvoll Fruchtsaft trinkend, ein kleines Lächeln um die Augen, ihr besonderes Lächeln. Eine ungewöhnliche Situation, Liliana ohne Skelton, dessen Dienst eben begonnen hat. Wieder überschwemmt mich etwas, dem ich nicht zu wehren vermag.
Als sie mich, aufblickend von ihrem Glas, unschlüssig zwischen den Tischen stehen sieht, vertieft sich ihr Lächeln zu einem inneren Leuchten. Sie winkt und deutet auf den freien Stuhl ihr gegenüber. »Setz dich zu mir, Phil!«
Dann schweigt sie lange, während ihr Blick über die Köpfe der Männer hingeht, ohne daß ihre Augen etwas zu sehen scheinen. Schließlich schaut sie mich an mit einem etwas trägen Lächeln, das mir unter die Haut geht, weil es gleichzeitig zu fordern und zu versprechen scheint, und sagt: »Weißt du, Phil, daß Howard Skelton ein verdammter Schwächling ist?«
Ihr Atem riecht nach Alkohol.
Sie sieht meinen Blick, setzt ihr Glas ab und wird plötzlich sehr ernst. »Na und?« fragt sie. Und danach: »Ich hoffe, du weißt etwas Besseres, als dich hier zu besaufen.«
Da stehe ich auf, zugegebenermaßen mit einer gewissen Überwindung, und gehe zwischen den vollbesetzten Tischen hindurch nach dort, wo Bergerson, Brake und Newman Big Boss spielen.
Als ich an den Tisch herantrete, hebt Bergerson den Kopf und blickt mich lange an. Mir fällt auf, daß er sehr müde wirkt, um seine Augen spinnt sich ein Netz vieler kleiner Fältchen, die ich gestern noch nicht bemerkt habe.
»Wußtest du das noch nicht?« fragt er leise, mit einer knappen Kopfbewegung hinüberdeutend zu der blonden Frau am offenen Kantinenfenster. Dann wendet er sich wieder dem Spiel zu, für mich ein Zeichen, daß er keine Antwort erwartet.
Big Boss ist eine Art Canasta, bei dem jeder der Gegner des anderen ist. Als Ziel gilt, möglichst viele und möglichst hohe Wertkarten in die Hand zu bekommen und die wertlosen Blätter abzustoßen. Wenn es die Spielsituation geraten erscheinen läßt, darf man sich mit einem Partner zusammentun, wodurch für eine gewisse Zeit aus Gegnern Kompagnons werden, allerdings auf Kosten der Gewinnhöhe. Üblich ist, zumindest hin und wieder zu zweit gegen die anderen, im Falle dieser drei gegen den
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