Lautlos im Orbit (1988)
Jagdrakete in Marsch gesetzt wird, endete auch dieser zweite Versuch mit einem Fiasko für mich. Mit einer persönlichen Niederlage, denn als nichts anderes kann ich diese Serie von Fehlschüssen empfinden.
Und die anderen scheinen diesen Vorgang ganz ähnlich zu interpretieren, nur gehen sie eben vom gegenteiligen Standpunkt aus, meine Niederlage ist ihr Erfolg. Für Morris und Haskett, auf deren Gesichtern ich den Ausdruck tiefer Genugtuung erkennen kann, ist es der Beweis, daß es gegen ihre neuen Silberpfeile kein Gegenmittel gibt, für Brake und Newman einfach eine Quelle reiner Schadenfreude, während Skelton und seine Freundin Liliana wohl nur verblüfft darüber sind, daß der beste Laserleitoffizier der Vereinigten Staaten neuerdings Löcher in den Orbit schießt. Lediglich Dora scheint etwas wie Betroffenheit zu empfinden.
Jane Blackwood ist die einzige, deren Gemütszustand mir verborgen bleibt; sie hat sich weit über die Lokationsanlage gebeugt und arbeitet mit an Verbissenheit grenzender Konzentration. Nur in größeren Abständen blickt sie flüchtig auf, und dann glaube ich zu erkennen, daß es ausschließlich die technische Seite der Angelegenheit ist, was sie beschäftigt.
Bereits nach weniger als fünf Minuten hat sie den gesamten Hergang des Fehlschusses und die Reaktionen des Zielkörpers rekonstruiert und dokumentiert, eine Leistung, die eigentlich mehr Anerkennung verdient hätte als das indifferente Nicken des Commanders.
Der Gesamtablauf ist, nachdem er in seine Wirkungskomponenten zerlegt wurde, absolut einleuchtend: Die auftreffende Laserenergie erzeugt einen so hohen Reflexdruck, daß die Sonde von der Station weggetrieben wird, und das wesentlich schneller, als ihr Eigenantrieb das selbst bei Höchstleistung zuwege brächte. Wahrscheinlich wird diese Fremdenergie noch zusätzlich zur Unterstützung der Marschtriebwerke herangezogen.
Beides addiert, verleiht dem Projektil Beschleunigungswerte, gegen die selbst die Hochleistungsantriebe der Killerraketen nichts auszurichten vermögen.
Die Kenntnis dieser an sich simplen Zusammenhänge beruhigt mich etwas, denn allein sie sorgt für eine relative Wertminderung des Antilasersystems. Beim nächsten Test werde ich auf die Laseremission verzichten und sofort eine Jagdrakete einsetzen. Ich glaube nicht, daß mir noch eine weitere Sonde entgehen wird.
Es gibt keinen weiteren Test. Die Zielübungen werden, ich vermag nicht zu ermitteln, ob zeitweise oder grundsätzlich, abgesetzt. Zwar lassen sich weder der Commander noch Haskett zu einer Erklärung herbei, aber am Abend dieses wieder sehr ruhig verlaufenen Tages wird unter den Offizieren der Station gemunkelt, daß eine entsprechende Weisung des Pentagons ergangen sei. Angeblich ist seitens der Ostblockstaaten ein massiver Protest gegen die nuklearen Explosionen im Orbit an den Präsidenten gerichtet worden.
Genaueres ist jedoch nicht zu erfahren, der Commander schweigt sich aus.
Eine andere Unsicherheit habe ich allerdings beseitigen können. Für Doras Verhalten mir gegenüber, das ich anfangs als ziemlich verwirrend empfand, gibt es nämlich eine einleuchtende Erklärung. Obwohl unsere gemeinsamen Nächte nicht die geringsten Gemeinsamkeiten bei Tage im Gefolge haben, finde ich jetzt an dieser Art von Beziehung nichts Ungewöhnliches mehr. Im Gegenteil, nun, da ich sie genau durchdacht habe, scheint sie mir auf die in diesem Fall einzig mögliche Basis gestellt zu sein.
Das Zauberwort, das mir, zumindest in bezug auf Doras Verhalten, die innere Ruhe zurückgegeben hat, heißt: Konspiration. Wenn wir an Bord einer Station wie der Odin, in einer kleinen gesellschaftlichen Einheit also, als Paar gelten würden, so fiele ein eventueller Verdacht niemals nur auf einen von uns. Der Gedanke an Komplizenschaft läge notwendigerweise auf der Hand, würde einer von uns enttarnt, man würde ab sofort hinter die vermeintliche Maske des anderen zu blicken versuchen, würde ihn beargwöhnen, beobachten, ihm Fallen stellen, und selbst wenn er nicht enttarnt werden würde, er könnte sich niemals mehr frei bewegen.
Es entspricht also der Vernunft, oder besser, den konspirativen Erfahrungen, wenn solche Gemeinsamkeiten tunlichst verborgen bleiben.
Meist bin ich mir ganz sicher, daß dies der einzige Beweggrund Doras ist, dann aber wieder, vor allem, wenn ich mich nach einer Berührung, nach ihrem Lachen oder den Funken in ihren Augen sehne, beginne ich erneut zu zweifeln. Und fürchte, hinter
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