Lautlos wandert der Schatten
schom
Gleich
anderen presthaften armen /
Offt
thut uns der BettelStab
erwärmen
In
Händen / alsdenn wir es treibn
Unser
lebtag faul Bettler bleibn.
Wir
allerdings gehen ohne jedes äußere Zeichen, ohne Muschel, ohne Stab.
Gelegentlich werden wir darauf angesprochen. Ein Bauer will uns sogar mit dem
Nötigsten ausstatten, damit wir wie echte Pilger aussehen; ein anderer uns
wenigstens einen kräftigen Haselnußstecken aufzwingen. Das einzige, was wir uns
erbitten, ist Wasser und ein Nachtlager. Das eine um Gotteslohn nach dem Wort
Jesu: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt,... er wird um
seinen Lohn nicht kommen“ (Mk 9,41), das andere gegen Bezahlung. Da gibt es
große Unterschiede, aber nie fühlen wir uns ausgenützt.
Das
Land hinter Belorado wird wieder karg. An einer Steilwand, die aus der
Hochebene aufsteigt, sehen wir die Sieben Fenster; ehemalige Wohnhöhlen von
Einsiedlern. Dann Villambistia, hier haben sich noch Trachten erhalten, die an
die Kleidung der Pilger erinnern, wie sie im Mittelalter hier durchgezogen
sind. Schließlich bei Espinoza del Camino wieder eine weißgetünchte, aber
aufgegebene Einsiedelei.
Unsere
nächste Station: Villafranca de Montes Oca. Hier gab es ein großes
Pilgerhospiz, von dem noch eine bescheidene Anlage übrig geblieben ist. Die
Inschrift auf Latein um das Wappen ist gerade noch zu entziffern: „Geben ist
seliger denn nehmen.“ Die neugegründeten Jakobusgesellschaften in Frankreich,
Belgien, England und Deutschland, nehmen sich solcher aufgelassener Hospize an
und restaurieren sie, falls noch möglich, so, daß sie den Pilgern wenigstens
als Refugios, als Zufluchtsort für die Nacht dienen können.
Villafranca,
einst Bischofssitz, macht trotz seiner großen Kirche einen armseligen Eindruck.
Wir überqueren die Berge von Oca auf einem wunderschönen Weg durch Steineichen
und Kiefern, zum Teil wird neu aufgeforstet. Ein Denkmal für die Gefallenen des
Bürgerkrieges von 1936 zeigt uns, daß uns gelegentlich auch die jüngste
Geschichte einholt. Der stundenlange, einsame Pfad, an den Rändern bewachsen
mit zweifarbigem Heidekraut, führt bis zum renovierten Kloster des Juan de
Ortega. Wir machen aber zunächst noch einen Abstecher zum Kirchlein
Valdefluentes, das mit einer Quelle und einem murmelnden Bach eine echte
Pilgerzuflucht in der großen Hitze bietet.
In
unserem spanischen Reiseführer war die Unterkunft im Kloster des hl. Juan als
„digno refugio“ beschrieben. Wirklich, wir finden freundliche Aufnahme im Haus,
es gibt zwei große Schlafsäle und, welche Labsal, Duschen und blitzsaubere
Toiletten. Zwei Kleine Schwestern Jesu sind schon da, sie kommen von Santiago
zurück, und zwei Holländer; gegen Abend kommen noch zwei Spanier dazu.
Schließlich sitzen dreizehn Pilger zu fröhlichem Austausch in vier Sprachen
beisammen. Wir alle werden zu einem bescheidenen Nachtmahl in die Klosterküche
gebeten; es gibt Knoblauchsuppe, Tortilla und Salat. Niemand fragt nach Bezahlung.
Dagegen schrieb der Pilgerführer von einst: „Die Menschen in den Bergen von Oca
sind böse und lasterhaft, grausam und ohne jede Gastfreundschaft.“
Die
Mönche des Juan de Ortega sind es nicht. Sie folgen unbeirrt bis heute dem
geistlichen Testament ihres Gründers, der 1163 gestorben ist: „Alle Pilger sind
aufzunehmen, als würde Jesus Christus um Herberge bitten; und zwar am Tage wie
in der Nacht.“ Wir atmen für einige Stunden den offenen und fröhlichen Geist
des Juan und seiner Nachfolger. Ein Pilger namens Laffi, der um 1670 unterwegs
war, urteilte: „Die Patres im Kloster sind sehr reich und von großer
Nächstenliebe zu allen Pilgern.“ Juan de Ortega hat die Brücken von Logroño,
Nájera und Santo Domingo gebaut, vor allem für die Pilger, die im zeitigen Frühjahr
große Schwierigkeiten gehabt hätten, die Flüsse zu überqueren. Auch beim Bau
von Hospizen zog man den Einsiedler aus den Bergen zu Rate. Natürlich besuchen
wir ihn an seinem Grab in der eindrucksvoll restaurierten Kirche; sie ist ein
schönes Beispiel romanischer Baukunst. Einmal im Jahr, just an seinem Todestag,
fällt das Licht der Sonne direkt auf das Grab des Juan, das sich als
stattlicher Hochbau inmitten der Kirche erhebt. In der späten Nacht gibt es
noch einmal Unruhe in der stillen Herberge. Eine große Gruppe von Jugendlichen
kommt von Santiago zurück, wo sie am Treffen mit dem Papst teilgenommen hatten.
Es gab viel zu erzählen und die
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