Lautlos wandert der Schatten
Wein, Suppe und Brot
für
den müden Pilger am Abend,
ein
Bett für den Rücken
ohne
Unterschied.
Jetzt
ein Portal zur Ewigkeit
zum
Gastmahl im Himmel,
ohne
Unterschied.
Tor
der Hoffnung.
Endlich
am Ziel.
Das
schöne romanische Portal ist das einzige, was von der stolzen Pilgerherberge
der Johanniter aus dem Jahre 1200 übrig geblieben ist. Kurz danach treffen wir
zwei jugendliche Pilger; einer von ihnen kommt aus Japan. Sie liegen am Wegrand
im Schatten und lesen in der Bibel, die für viele Wallfahrer ein
selbstverständlicher Begleiter ist. Die biblischen Weggeschichten mit auf den
eigenen Weg zu nehmen, ist die beste Art, sich das Wort Gottes zu erschließen
und in Nachfolge umzuwandeln. Die Pilger aller Religionen haben es gelernt, mit
einem Wort, einem Satz oder einem Gleichnis auf den Weg zu gehen und sich damit
auseinanderzusetzen. Wer einen ganzen Tag lang auf einem Psalmvers ,kaut’, zum
Beispiel „Selig der Mensch, der nicht auf dem Weg der Sünder geht“ (Ps 1,1)
oder „Gott, du hast mir Raum geschaffen, wenn mir Angst war“ (Ps 4,2), der läßt
zu, daß das Wort zum Teil seines Gehens wird, daß Gott mit ihm geht. Das Wort
geht in uns ein; daraus läßt sich leben. Nachfolge ist nicht nur etwas
Innerliches, da muß es auch tatsächlich etwas zum Gehen geben. Im Gehen lernen
wir, daß Nachfolge manchmal auch Vorangehen heißen kann.
Wir
folgen dem Weg nach Nájera und damit dem Camino, den Santo Domingo de la
Calzada (Dominikus von der Straße) ausgebaut hatte. Die Glanzzeit der Abtei ist
vorbei, doch ihre Zeugen stehen noch in einer großen, festungsartigen
Klosteranlage mit übermächtiger Kirche und herrlichem Kreuzgang, dem Claustro
de los Caballeros, aus dem 16. Jahrhundert. Der alte Stadtkern von Nájera lehnt
sich an einen roten, steil aufragenden Felsaufbau. Das Heiligtum hat eine
schöne Entstehungsgeschichte, die mit diesen sommer-glutfarbenen Felsen zu tun
hat. Bei der Jagd setzt Garcia, der König von Navarra seinen Falken auf eine
Taube an. Beide verschwinden in einer Felsengrotte. Als ihnen der Jäger
nachsetzt, findet er die Höhle in ein strahlendes Licht getaucht und ein
Muttergottesbild, unter dem Taube und Falke, friedlich vereint, zu Füßen
sitzen. Dieses gotische Bild aus dem 14. Jahrhundert ist heute die Mitte des
prachtvollen Altaraufbaus in der Kirche aus romanischer Zeit.
Sonst
ist nicht viel geblieben von der ehemaligen Residenz der Könige von Navarra;
zwei, drei lebendige Straßen zwischen Río Najerilla und Felsen, die sehenswerte
Grablege der Königsfamilie, darunter allein dreizehn Kindersärge, und eine ganz
diesseitige Erinnerung eines Pilgers im Mittelalter: „Die Essensportionen im
Hospiz des Klosters sind gewaltig. Am Abend gibt es ein Pfund Brot, ein Pfund
Fleisch und ein Maß Rotwein für jeden...“ In unserem Hotel, Don Fernando II.,
feierte eine Hochzeitsgesellschaft auf ähnlich üppige Weise.
13
Einem Kastilier soll man nichts
Böses tun, weil das Sünde ist;
aber auch nichts Gutes,
es wäre Verschwendung
A m
nächsten Tag geht es wieder steil bergauf; der Weg wird von Weinbergen gesäumt.
Für den hungrigen Pilger finden sich dunkle Trauben, die in der Glut der Sonne
und mit dem Aroma der rotbraunen Erde gereift sind. In den Mittagstunden
erreichen wir die Stadt des Straßen- und Brückenbauers Domingo. Der heilige
Schutzpatron der Stadt, erst Hütejunge, dann Einsiedler, hatte offensichtlich
großen technischen Sachverstand, den er vor allem für die Pilger einsetzte. Die
Brücke, die in 24 Bogen den Fluß Oja überspannt, soll sein Werk sein. Domingo
errichtete auch eine Herberge und ein Hospital und bediente dort bis zu seinem
Lebensende die Wallfahrer. Noch heute zählt sein Refugio, inzwischen betreut
von der Pfarrgemeinde, zu den besten in ganz Spanien. Domingo starb 1109. Als
die Stadt Bischofssitz wird, erhält der Heilige hier seine Grabstätte und die
Siedlung am Oja seinen Namen. Noch immer wird sein Grab mit frischen Blumen
geschmückt. Hahn und Henne, aus Stein und weiß gefiedert, halten an ihm Wache,
um an ein besonderes Ereignis im Leben des Domingo zu erinnern. Zwei lebende
Exemplare werden zusätzlich in einem Käfig direkt über der Sakristeitüre
gehalten. Wo gibt es das noch, lebendige Hühner im Gotteshaus?
Als
wir ankommen, es ist Sonntag, ist die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt.
Wir können nur einen kurzen Blick auf die berühmten Hühner werfen und erleben
auch leider nicht den Brauch,
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