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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hattest du angestellt?«
    »Ich? Nichts. Ich habe mich einfach nur zwölf Stunden lang bitten lassen. Es war gemütlich da drin, weißt du. Dunkelrot und mollig wie in einem Hafenpuff. Als sie mich zwingen wollten rauszukommen, muss ich wild um mich getreten haben!«
    »Du hast dich danebenbenommen. Wie immer.«
    »Ich habe meine Zeit genutzt. Aus der Rolle fallen darfst du als Kind und wenn du alt bist. Ich will ja nichts Despektierliches über mein Elternhaus sagen, aber es dürfte der einzige Moment ihres Lebens gewesen sein, dass meine Mutter je wirklich von etwas erschüttert war und darüber in vernehmliches Wehklagen ausbrach. Ähnliche Gefühlswallungen habe ich nie wieder bei ihr erlebt. Aber wie ich schon sagte, du darfst nicht alles wissen – für den Augenblick jedenfalls!«
    Sie gingen ins Innere und fanden sich in einem Atrium wieder. Die Etagen mit ihren Fluren und Zimmern zogen sich als Balustraden um einen Lichthof unter einer pyramidenförmigen Glaskuppel. Das Gebäude wirkte hell und freundlich. Auf einer großen Tafel stand zu lesen, wer in welcher Höhe residierte. Die Personalabteilung befand sich im zweiten Obergeschoss. Wagner fragte den Pförtner nach den Aufzügen.
    »Warum bist du eigentlich so scharf darauf, Paddy wiederzusehen?«, fragte sie, während sie hochfuhren.
    »Er hat mich daran erinnert, dass ich im Laufe der Jahre ein besserer Mensch geworden bin«, sagte er. »Komisch, nicht? Ich verspürte einen Anflug von Dankbarkeit, als ich ihn sah.«
    »Ich weiß nicht. Dankbarkeit steht dir nicht.«
    »Darum will ich sie ja an ihm auslassen. Vielleicht will ich auch einfach nur wissen, warum es jemand mit seinen Talenten und Geistesgaben nicht weiter gebracht hat. Wir hatten die gleichen Voraussetzungen.«
    »Anteilnahme oder Neugier?«
    »Für Anteilnahme reicht mein Kenntnisstand nicht aus.«
    »Möglicherweise schätzt du die Situation falsch ein. Vielleicht ist er ja so was wie ein leitender Angestellter.«
    »Paddy? Er konnte nicht mal sich selbst leiten.«
    »Menschen ändern sich.«
    »Ja, aber sie bessern sich selten.«
    Der Fahrstuhl stoppte. Sie betraten das zweite Stockwerk.
    »Sag mal, Liam …«, fragte sie. »Hättest du überhaupt irgendetwas für ihn tun können damals?«
    »Wann?«
    »Als sie ihn rausgeworfen haben.«
    O'Connor blieb stehen.
    »Interessante Frage.« Er machte eine Pause. »Ich sollte jetzt wohl sagen, Finger in die Wunde gelegt. Aber du hast dich vertan, da ist nichts. Keine alten Rechnungen. Kein Pakt, keine Selbstvorwürfe. Nein, ich glaube nicht, dass ich mehr für ihn hätte tun können. Ich hätte mich nicht dazu durchringen können, ihn für so wichtig zu erklären.«
    »Warum jetzt?«
    »Wie schon gesagt: Neugier.«
    »Dann lass mich anders fragen. Gibt es überhaupt jemanden, der dir wichtig ist? Ich meine, außer dir selbst?«
    »Wie inquisitorisch du sein kannst.« Er grinste. »Ich gebe mir zumindest alle Mühe, es herauszufinden. Sollte dir das nicht aufgefallen sein?«
    »Ich bilde mir nicht ein, Teil einer Premiere zu sein.«
    »Das bist du auch nicht – ein Teil, meine ich.«
     
    Nachdem sie die Schilder an den Zimmern gelesen hatten, versuchten sie es schließlich im Sekretariat Personalwesen. O'Connor erklärte einer rundlichen Frau, die nicht wusste, ob sie mehr an seinen Lippen oder an seinen Augen hängen sollte, wen er suchte. Die Frau schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, wandte sich ihrem Computer zu und rief nacheinander verschiedene Dateien auf.
    »Wo soll Ihr Bekannter arbeiten?«, fragte sie.
    »Möglicherweise in der Technik«, erwiderte O'Connor. »Vielleicht. Ich weiß nicht, er trug einen Overall.«
    »Patrick Clohessy?«
    »Ja.«
    Eine Weile hörte man nur das Klacken ihrer Fingernägel auf der Tastatur. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Tut mir leid. Eine Menge Leute tragen Overalls. Kann es eine andere Abteilung sein?«
    »Keine Ahnung, welche Sie sonst noch anzubieten haben. Können Sie nicht gleich den ganzen Flughafen durchchecken? Geben Sie doch einfach seinen Namen ein.«
    Eine weitere Minute verstrich. Die Frau hob bedauernd die Schultern.
    »Fehlanzeige.«
    »Clohessy«, wiederholte O'Connor, als habe sie ihn nicht verstanden. »Patrick Clohessy.«
    »Ja, ich weiß. Es gibt keinen Patrick Clohessy.«
    O'Connor rieb sich das Kinn.
    »Das ist komisch«, murmelte er halb zu sich selbst. »Ich irre mich nie in Gesichtern. Er war es ohne jeden Zweifel.«
    Wagner beugte sich zu ihm hinüber.
    »Du warst voll wie

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