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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Tauben reingeschwirrt. Blair, Chirac, Guterres, Simitis, D'Alema, Ahtisaari. Nur große Tiere. Man gewöhnt sich dran. Nichts für ungut. Ich werd dann mal.«
    Er nickte ihnen zu und ging davon. Wagner sah ihm nach und wartete, bis er außer Hörweite war.
    »Was war das denn für eine Nummer?«, fragte sie.
    »Das?« O'Connor sah sie an, als habe sie ihn gefragt, wo hier die Züge fuhren. »Das war Paddy Clohessy.«
     
    »Also heißt Paddy Clohessy jetzt Ryan O'Dea«, stellte Wagner fest, während sie zurückfuhren. »Das kann er noch nicht mal mit Heiraten bewerkstelligt haben.«
    »Kaum.«
    »Und was willst du jetzt tun? Abgesehen davon, dass du um sechs eine Lesung hast, die du wahrnehmen wirst – um etwaigen Schurkereien deinerseits zuvorzukommen.«
    O'Connor schaute auf seine Armbanduhr. Sie sah ebenso schlicht wie teuer aus.
    »Viertel nach vier«, konstatierte er.
    »Wir haben der Buchhandlung versprochen, dass du eine halbe Stunde vorher kommst. Vergiss das nicht.«
    »Warum denn das?«
    »Um einen Haufen Bücher zu signieren.«
    »Ich habe gestern schon einen Haufen Bücher signiert.«
    »Die sind verkauft.«
    »Erbarmen, Kika! Meine Unterschrift ist zu einem Tintenwurm degeneriert. Ohne irgendwelche signifikanten Merkmale. Mir ist unbegreiflich, warum die Leute so scharf auf das Gekrakel sind.«
    »Ganz einfach. Sie unterwerfen sich der Täuschung, etwas Besonderes zu sein, wenn sie etwas Besonderes besitzen.«
    »Siehst du? Genau das ist der Grund, warum ich mich so gern verdrücke.«
    Wagner warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Untersteh dich!«
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte O'Connor fröhlich. »Ich pflege selten an zwei Abenden hintereinander zu patzen. Nichts wäre schlimmer, als wenn man anfinge, mich für berechenbar zu halten.«
    »Glaubst du, Paddy wird noch mal von sich hören lassen?«
    »Ich hatte nicht den Eindruck.«
    »Du hast ihn geschützt.«
    »Ich habe versucht, mich zu wundern«, sagte O'Connor nach einer Weile des Schweigens. »Aber es klappte nicht. Mir war schon in der Personalabteilung klar, was los ist. Offen gestanden, als Paddy damals aus Dublin verschwand, gab es Gerüchte, er sei erschossen worden. Die einen reagierten mit Betroffenheit, andere fanden, es geschehe ihm ganz recht, ein bisschen tot zu sein. Nur wirklich gewundert hat sich keiner. Es war einfach jedem von uns klar, dass er auf die eine oder andere Weise eine fatale Entwicklung nehmen würde. Hinterher hieß es, er sei quicklebendig in Ulster gesehen worden, aber von da an verliert sich endgültig jede Spur von ihm. Wie immer sein Leben seitdem verlaufen ist, es muss ihn an einen Punkt geführt haben, wo es notwendig wurde, den Namen zu wechseln und das Land zu verlassen.«
    »Klingt nach ziemlich krummen Wegen.«
    »Ich kann nicht beurteilen, ob Paddy in Schuld verstrickt ist. Natürlich hätte ich ihn auffliegen lassen können, aber wozu? Möglich, dass er endlich seinen Frieden gefunden hat.« O'Connor schüttelte den Kopf. »Nein, ich sage mir einfach, dass Paddy verschollen bleibt. Was Mr. O'Dea angeht, so haben wir nichts mit ihm zu schaffen.«
     
    Als sie im Maritim anlangten, verspürte Wagner unerwartet eine merkwürdige Distanziertheit zu O'Connor. Sie erwuchs weniger dem Erlebten als dem Unausgesprochenen und der Angst, etwas könne sich zwischen sie senken und den Zustand vor letzter Nacht wiederherstellen. Mit dem Unterschied, dass ihr nun etwas fehlen würde, das sie vorher nicht vermisst hatte. Sosehr es sie drängte, ihm in sein Zimmer zu folgen und wahr werden zu lassen, was sie im Rausch des Uisge Beath zur Wahrheit erklärt hatten, so denkbar unpassend schien ihr der Moment. Sie begleitete ihn vor die Zimmertür und stand unschlüssig neben ihm, während er aufschloss.
    Bleib locker, dachte sie. Es ist nichts. Wir haben keinerlei Verabredungen miteinander getroffen. Nichts, was sich vollziehen müsste.
    Aber plötzlich fühlte sie sich verkrampft. Die federleichte Bereitschaft, die noch am Morgen ihr Denken beherrscht hatte, stahl sich davon und machte einem hohlen Realitätsempfinden Platz, mit dem man Träume beim Aufwachen entgleiten lässt. Mittlerweile war sie wieder nüchtern und der Kopfdruck gewichen. Mattigkeit überkam sie. Die letzten vierundzwanzig Stunden machten sich in die Unwirklichkeit davon. In diesem Moment wartete sie einfach nur an der Seite eines ungemein gut aussehenden Mannes darauf, dass dieser die Tür aufschließen und sich mit einem »Dann bis später, Frau

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