Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
da.«
    »Was?« Wagner suchte verwirrt das Band der Straße ab. Nichts Signifikantes war zu sehen. »Wo denn? Ich bin froh, dass ich mit dem ganzen Restalkohol überhaupt fahren kann.«
    »Da irgendwo auf dem Seitenstreifen«, sagte O'Connor. Sie waren mittlerweile auf der Landstraße außerhalb des Stadtgebiets angelangt. Ringsum lagen Felder, in der Ferne sah man die weißen Wolkenberge eines Wasserkraftwerks. Wagner suchte nach einem geeigneten Platz, entdeckte einen Feldweg und parkte den Wagen zwischen zwei Ackerflächen.
    »Und nun?«
    O'Connor beugte sich zu ihr hinüber, zog ihren Kopf sanft zu sich heran und küsste sie. Wagner ließ es geschehen. Sie hätte noch mehr geschehen lassen, wenn sie nicht zu dem verdammten Golfplatz hätten fahren müssen und ständig Autos vorbeigerauscht wären. Außerdem war der Golf zu klein und sie selbst zu lang.
    »So«, sagte O'Connor.
    »So?«
    »Ich dachte nur, das können wir jetzt bis heute Nachmittag nicht mehr tun.« O'Connor lächelte vergnügt. »Und wir sollten doch nicht aus der Übung kommen, oder?«
    »Dr. O'Connor, Ihre Vorstellungen von Lesungsreisen sprengen jeden Rahmen. Ich weiß nicht, ob ich das Protokoll so einfach ändern kann.«
    »Dafür haben Sie ja mich, gnädige Frau. Außerdem finde ich, Sie sollten den Gepflogenheiten ausländischer Gäste mehr Rechnung zollen. Ich versichere Sie der nämlichen Flexibilität, wenn Sie nach Dublin kommen.«
    »Ich lese aber nicht.«
    »Deswegen sollen Sie ja auch nicht kommen. Kriege ich noch einen Kuss? Dann bin ich bereit für alle Vorstände dieser Welt.«
     
    Während O'Connor bei strahlendem Sonnenschein Golf spielte und Kuhn mit Silberman in die Stadt gegangen war, fuhr Wagner zu ihren Eltern und bereitete sie darauf vor, ihrem alten Bett auch in der kommenden Nacht möglicherweise fern zu bleiben. Ihr Vater zuckte die Achseln, ihre Mutter kochte ihr einen Kaffee und wollte unter kritischen Blicken wissen, ob sie genug esse bei der Rumtreiberei. Wagner versprach alles Mögliche. Sie legte sich zwei Stunden hin und zog sich um. Immer noch hatte sie das Gefühl, mit einem chloroformgetränkten Lappen vor der Nase herumzulaufen. Sie litt schrecklichen Durst und leerte zwei Flaschen Wasser und zwei weitere mit Orangensaft. Danach bekam sie Sodbrennen und beschloss, dem Exzess der vergangenen Nacht so bald keine weiteren mehr folgen zu lassen.
    Während sie in ein hellgrünes Kostüm schlüpfte, dachte sie an O'Connor und fühlte ihr Herz klopfen. Es war aufregend mit ihm. Seltsamerweise hatte sie keine Angst mehr davor, sich in ihn zu verlieben. Im Moment, da sie sich das erste Mal geküsst hatten, war er von seinem Sockel herabgestiegen. Er sah immer noch unverschämt gut aus und übte eine kaum zu erklärende Faszination auf Wagner aus, aber der gestürzte Engel hatte sich in einen Menschen aus Fleisch und Blut verwandelt, der gern trank und dumme bis kluge Bemerkungen machte. Man konnte ihn anfassen.
    Man durfte es sogar.
    Kurz erwog sie, die aufkeimende Beziehung zu beenden, bevor sie miteinander im Bett landeten und sie doch noch an Verliebtheit erkrankte. Was würde hinterher kommen? O'Connor würde nach Dublin zurückkehren und sie nach Hamburg. Allzu verlockende Perspektiven zeichneten sich am Horizont dieses siebenten Himmels nicht gerade ab.
    Es wäre idiotisch, sich mit ihm einzulassen.
    Andererseits wäre es noch idiotischer, es nicht zu tun.
    Sie korrigierte ihr Make-up, schlüpfte in ein paar schwarze Hochhackige und band die Haare zu einem langen, glatten Pferdeschwanz. Auf jeden Fall sah sie jetzt besser aus, als sie sich fühlte. Allmählich wich das Gefühl, betrunken zu sein. Als sie zum zweiten Mal an diesem Tag hinaus zum Lärchenhof fuhr, war die Straße wieder eine Straße und keine Schlange mehr, die sich unvermittelt wand und an Berechenbarkeit zu wünschen übrig ließ. Sie parkte den Wagen vor dem Restaurant, ging hinein und hoffte, nicht unversehens in die nächste politische Fachsimpelei zu stolpern.
    Glücklicherweise drehte es sich um Golf und Kino. Kuhn erblickte Kikas erneuertes Outfit und sah plötzlich so aus, als beginne sein Verstand mit stundenlanger Verspätung, zwei und zwei zusammenzuzählen. Als Folge wirkte er überaus nachdenklich und vergaß eine geschlagene Stunde lang, mit vollem Mund zu sprechen.
    O'Connor lobte das ausgezeichnete Menü. Er trank Rotwein und erging sich mit dem Vorstand in der Aufzählung berühmter Golfer und ihrer Usancen.
    Alles war über die

Weitere Kostenlose Bücher