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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sehr unaufdringlich und freundlich, aber von der eisernen Entschlossenheit geprägt, diesen Staatsbesuch durch nichts und gar nichts zu verpatzen, und hieße es, in aller Öffentlichkeit eine Handtasche zu erschießen.
    Zweitens erwuchs Wagners Anwesenheit dem Umstand, dass der designierte Leiter des Lektorats Belletristik im Rowohlt Verlag, Franz Maria Kuhn, eine Etage höher mit Aaron Silberman das Frühstück teilte. Silberman war Stellvertretender Chefredakteur für Politik bei der angesehenen Washington Post. Er war den amerikanischen Presseleuten, die im Gefolge des Präsidenten erwartet wurden, vorausgeeilt, um über die Aktivitäten des Hyatt zu berichten und bei dieser Gelegenheit Kuhn wiederzusehen, den er aus dessen Zeit als politischer Korrespondent in der amerikanischen Hauptstadt kannte.
    Sie hatten sich beide oft genug im legendären Briefing Room des Weißen Hauses herumgedrückt und so eine gewisse Nähe zueinander entwickelt. Das schmucklose, winzige Zimmerchen mit dem blauen Vorhang und dem Präsidialwappen darauf war eine wohl durchdachte Zumutung und Ausdruck des ständigen Kampfes, den der Amts- und Wohnsitz des Präsidenten mit seinen ungeliebten Schnüfflern ausfocht. Dennoch war kein Presseausweis der Welt begehrter als der des White House Press Corps. Dessen Mitglieder arbeiteten immerhin unter einem Dach mit dem mächtigsten Mann der Welt, sie hatten ihre Zentrale direkt im Allerheiligsten. Auch wenn man im White House alles tat, um der elitären Journaille das Gefühl zu geben, auf einer Stufe mit Wanzenbefall und Hausschwamm zu stehen – im Grunde ein Übel zu sein, dem man nur durch fortgesetzte Erniedrigungen beikommen konnte –, kämpften die Medienhöflinge wie eine Meute Dobermänner um ihre Privilegien. Als Clinton sie in helle, freundliche Räume des Nachbargebäudes umquartieren wollte, gaben sie sich hart. Niemand sah ein Problem darin, sich mit anderen Ölsardinen eine Dose zu teilen, solange sie in unmittelbarer Nähe des Präsidentenschlafzimmers situiert war.
    Silberman hatte es tatsächlich geschafft, einmal zehn Minuten mit Clinton persönlich zu sprechen – ein Ritterschlag, der selbst lang gedienten Kollegen in den seltensten Fällen zuteil wurde. Darum gehörte er nun zu den wichtigeren Berichterstattern und war der Washington Post eine Akkreditierung bei Hofe wert gewesen, sprich ein Zimmer im Hyatt.
    Derzeit gab es in Kölns erster Adresse keine privaten Gäste mehr. Dafür Legionen von Mitarbeitern der amerikanischen Regierung, Vertreter der CIA, Bilderbuchausgaben von Geheimdienstleuten mit den obligatorischen schwarz getönten Ray-Ban-Sonnenbrillen, Agenten des FBI sowie Dutzende hochkarätiger Vertreter von CNN. Insgesamt zweihundertfünfzig der dreihundertfünf Zimmer waren Clintons Kohorten, die restlichen fünfzig dem Hauptaufgebot der Presse vorbehalten. Noch zwei Tage, dann würde eine mit Journalisten voll besetzte Tristar im Gefolge des Präsidenten eintreffen und das Hyatt endgültig in ein zweites White House verwandeln. Es fehlte letztlich nur das Sternenbanner auf dem Dach.
    Der eigentliche Grund, warum Wagner im bestgeschützten Gebäude Kölns auf Franz Maria Kuhn wartete und nicht wusste, ob sie darüber lachen oder weinen sollte, hieß allerdings nicht Bill Clinton, sondern Liam O'Connor.
    Prof. Dr. Liam O'Connor, um genau zu sein.
    Sie legte die Zeitschrift auf den Glastisch neben sich und schlug die Beine übereinander.
    Kuhn tauchte auf. Er kam, mit der Rechten an seinem Krawattenknoten nestelnd, in der Linken ein angebissenes Sandwich, die Freitreppe vom Buffet herunter, sah sie und hielt mit ausladenden Schritten auf sie zu. Er war schmächtig und wie immer schlecht gekleidet.
    »Wir müssen dann mal«, sagte er etwas zu laut. Es klang, als habe er auf sie gewartet, nicht umgekehrt. Wagner hasste Menschen, die ihre Lautstärke an öffentlichen Plätzen nicht unter Kontrolle hatten. Sie griff nach ihrer Handtasche und stand auf.
    »Hübsche Beine«, bemerkte Kuhn kauend.
    Wagner sah an sich herunter. Der Rock ihres dunkelgrauen Kostüms war ein Stück hochgerutscht. Der Stoff wanderte auf ihren Strümpfen nach oben. Reibungswiderstände, gegen die sich nichts machen ließ, als von Zeit zu Zeit am Saum zu zerren.
    Blödmann, dachte sie.
    Nicht, dass es ihr etwas ausmachte, Komplimente über ihre Beine zu hören, aber nicht von Kuhn. Er war brillant auf seinem Gebiet, menschlich hingegen eine ziemliche Katastrophe. Je mehr er versuchte, nett zu

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