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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zu liquidieren ergab keinen Sinn. Es ließ sich nicht rekonstruieren, wem er inzwischen alles von Paddy erzählt hatte. Aber sie konnten ihn seiner Glaubwürdigkeit berauben. Und auf diese Weise mögliche Ermittlungen in eine falsche Richtung lenken.
    Sie beschloss, Gruschkow zu wecken. Sein Zimmer lag im Stockwerk über ihr. Jana wusste, dass der Programmierer darauf brannte, etwas zu tun. Er langweilte sich, weil alles installiert war und sie nur herumhängen und warten konnten. Vielleicht war es keine schlechte Idee, wenn er O'Connor und die Frau vorübergehend im Auge behielt.
    Der Plan reifte in ihrem Kopf, wurde umgestaltet, verfeinert, erneut gecheckt, perfektioniert, alles in wenigen Sekunden.
    So konnte es gehen.
    »Hören Sie, Mirko?«
    »Ja.«
    »Tun Sie Folgendes. Schreiben Sie einen Brief.«

WAGNER
    Es war zwanzig nach drei, als sie sich gegenseitig in ihre zerrissenen Kleidungsstücke halfen und darüber in albernes Gekicher ausbrachen.
    »War das Hemd teuer?«
    »Sehr. Gerade richtig, von dir zerfetzt zu werden. Was ist mit deiner Bluse? Erinnerungsstück an die verstorbene Oma?«
    »Selbstverständlich.«
    »Tut mir leid. Hat dir gut gestanden.«
    »Ihr Geist wird über uns kommen. Wüstling! Du hast zu viele Filme mit Michael Douglas gesehen.«
    »Irrtum. Er hat zu viele Filme mit mir gesehen.«
    Sie traten aus der Kuppel des Baumes hinaus in den Park. Beinahe wollte sich Trennungsschmerz einstellen. Sie verließen nicht einfach einen Ort, sondern eine Insel jenseits der Zeit. Ein Anderswo, dachte sie.
    Würde es ein Anderswo bleiben?
    Sie dachte an den morgigen Tag. Sie konnten ausschlafen, sich lieben, faulenzen. Sie selbst hatte erst am späten Nachmittag eine Reihe von Terminen wahrzunehmen. Obgleich ihre Funktion die einer verdeckt agierenden Anstandsdame für O'Connor war, hatte es den Verlag nicht davon abgehalten, sie außerdem mit zwei Besuchen in der Kulturredaktion des WDR und bei RTL zu betrauen. Um halb fünf würde sie die Öffentlich-Rechtlichen treffen, eineinhalb Stunden später die Privaten. Danach, wenn es sich nicht allzu sehr hinzog und niemand dort auf die Idee kam, sie zum Abendessen einzuladen, war sie wieder frei. Frei für alles.
    Eng umschlungen schlenderten sie an dem Weiher entlang. Über ihnen erstrahlte kühl und scharf die Sichel des Mondes.
    »Geht es dir gut?«, fragte O'Connor nach einer Weile.
    »Traumhaft. Und dir?«
    »Ich bin geradezu unanständig guter Laune«, sagte er. »Wollten wir nicht jemanden beschatten?«
    »Du hast mir verboten, darüber nachzudenken.«
    »Seit wann lässt du dir irgendwas verbieten?«
    »Schlossen die Spielregeln Nachdenken nicht aus?«
    »Allzu wahr.«
    »Aber du hast natürlich Recht. Was machen wir denn jetzt mit unserem guten Paddy?«
    O'Connor überlegte.
    »Das entscheiden wir, wenn dein Wagen noch da steht, wo du ihn abgestellt hast.«
    Wenige Minuten später kletterte Wagner auf den Beifahrersitz des Golf. O'Connor hatte darauf bestanden, ihn zu fahren. Ihr war es recht. Irgendwie war ihr alles recht, solange es nicht endete.
    Einer Eingebung folgend griff sie hinter sich und fingerte nach ihrem Handy.
    »Was machst du?«, fragte O'Connor, während er im Dunkeln das Zündschloss suchte.
    »Dachte, ich hätt's im Park verloren«, sagte sie. »Bist du eigentlich sicher, dass du mit links gesteuerten Autos zurechtkommst?«
    »Nein.«
    »Und Paddy?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Es dürfte ein bisschen spät sein, sich mit ihm zu unterhalten. Ich schlage vor, wir fahren morgen – pardon, heute früh zum Flughafen, wenn er wieder Dienst hat. Ich rede mit ihm, sofern er dazu bereit ist. Sollten wir danach immer noch der Meinung sein, es sei was im Busch, bemühen wir die allgewaltige Polizei.«
    »Klingt vernünftig.«
    Sie gähnte und reckte die Arme. Ihr Blick fiel auf das Display des Handys, das sie immer noch in den Fingern hielt.
    »Mist«, entfuhr es ihr.
    Er sah zu ihr herüber.
    »Was ist los?«
    »Kein Platz für neue Kurzmitteilungen. Steht da. Jemand hat mir eine SMS geschickt, aber der Speicher ist voll.«
    »Erwartest du irgendwas von Wichtigkeit?«
    Sie runzelte die Stirn. Nacheinander rief sie die gespeicherten Mitteilungen auf. Sie stammten von Freundinnen, Bekannten, Mitarbeitern. Nichts, was man nicht hätte löschen können, nur dass sie es ständig vergaß und geflissentlich den aufblinkenden kleinen Briefumschlag übersah, der ihr anzeigte, wenn der Speicher voll war.
    »Nein«, sagte sie. »Vielleicht der

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