Lautlos
Geschäftemacherin Karina Potschowa. Cordula Maliks Girlie-Look hingegen war neu und aufregend. Er machte Jana Spaß. Selten zuvor hatte sie sich mit so viel Vergnügen im Spiegel betrachtet. Cordula war das völlige Gegenteil der stets auf Korrektheit bedachten Laura Firidolfi, die in den letzten Jahren Janas Leben beherrscht hatte. Ihre gestylte Schlampigkeit drückte Lebensfreude und Sinnlichkeit aus, Dinge, von denen sie viel zu lange viel zu wenig zugelassen hatte.
Vielleicht wäre es eine gute Idee, aus der Asche von Jana, Sonja, Laura und all den anderen jemanden wie Cordula aufsteigen zu lassen. Das Leben würde lustiger sein mit bauchfreien T-Shirts.
Auch über das Piercing könnte man sich noch mal Gedanken machen. Ein kleines mit einem Stein darin. Einem wasserblauen oder einfach einem funkelnden kleinen Brillanten. Sie hätte Millionen zur Verfügung. Die Bezeichnung Edelschlampe würde eine völlig neue Bedeutung erhalten.
Jana sah aus dem Fenster, während der Bus sie und vierzig weitere Journalisten auf das Flughafengelände fuhr, und dachte an ihr neues Leben.
Für viele Menschen stellte die Überlegung, ein silbernes Schmuckstück in ihrem Nabel unterzubringen, den Gipfel der Komplexität dar. Wie sorglos waren solche Gedanken. Wie anders als solche, die um Waffen kreisten und um Auftragsmorde, die einen YAG schufen und einen Plan, wie man den mächtigsten Mann der Welt umbringen konnte.
Würde sie in ein Juweliergeschäft gehen und sagen, guten Tag, ich habe Bill Clinton umgebracht und ein gutes Dutzend weiterer Menschen, jetzt würde ich mir gern den Nabel versilbern lassen?
Würde sie es denken? Denken können? Wäre es möglich, ein Mensch zu werden, der in aller Unschuld einfach nur ein Mensch war?
Sie schob ihren Kaugummi von rechts nach links und versuchte, sich wie ein Girlie zu fühlen, aber sie fühlte sich nur wie eine Killerin aus der Eliteklasse, die ein bauchfreies T-Shirt trug.
Einmal noch, dachte sie. Dann wird sich alles ändern.
Der Bus passierte einen Checkpoint und fuhr weiter die Straße entlang. Links erstreckten sich die Neubauten des Flughafens, das Parkhaus 2 und das halb fertige Terminal, dann unterquerten sie eine Rollbahn und hielten auf einen Kreisverkehr zu. Dahinter begann der lang gestreckte Bereich des Frachtflughafens. Überall waren Sperren und Polizei. Mannschaftsfahrzeuge säumten die Heinrich-Steinmann-Straße. Jana wusste, dass dies der Weg war, über den die Politiker den Flughafen verließen. Links sah Jana den Flachbau der Luftpostleitstelle liegen, daneben das quer stehende Luftsicherungsgebäude, dahinter die Frachthallen. Wo die Frachthallen endeten, erhob sich ein sandgelber mehrstöckiger Bau, das UPS-Gebäude, nur überragt vom Tower.
Jana lächelte. Sie kannte den Flughafen wie ihre Westentasche.
Sie stoppten. Nacheinander stiegen sie aus und betraten den Parkplatz, von dem aus es zu den Zelten ging. Jana sah den EXPRESS-Reporter neben sich auftauchen. Sie tauschten ein paar Bemerkungen über das exzeptionelle Aufgebot an Polizei und ausländischen Sicherheitskräften aus, während sie über den Parkplatz gingen und sich der Absperrung näherten. Vor ihnen lag eine flache Speditionshalle, dahinter erhob sich der gewaltige, lang gestreckte Kasten der Lärmschutzhalle, die weit in die Vorfelder hineinragte und sie in zwei Hälften teilte. Rechts von der Halle lag das GAT, auf dem gemeinhin kleinere Maschinen parkten, Privatflugzeuge und die Jets der Außenminister. Zur Linken, von der Lärmschutzhalle flankiert, erstreckte sich das Vorfeld Fracht West.
Überall waren Polizisten, Scharfschützen, Sicherheitskräfte in Zivil.
Für eine kurze Weile herrschte ziemliches Gedränge. Vor dem Checkcontainer bildete sich im Nu eine Schlange. Jana versorgte ihre Kiefermuskulatur mit einem neuen Kaugummi und flirtete mit dem EXPRESS-Mann, bis die Reihe an ihr war. Sie stieg die zwei Stufen empor und ging ins Innere.
»Personalausweis, Akkreditierungsausweis, Poolkarte bitte.«
Die Beamten waren von sachlicher Freundlichkeit. Janas Ausweis wurde mit den Daten und dem Foto auf den Listen verglichen. Ein Beamter nahm sich ihrer Handys und der Kameras an und platzierte sie vorsichtig auf einem Band. Das Band setzte sich in Bewegung und fuhr die Nikon und die Olympus ins Innere eines Kastens, wo sie geröntgt wurden. Nacheinander verschwanden darin auch alle metallischen Gegenstände, die Jana mit sich führte, der Schlüssel zu ihrem Hotel, das
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