Lautlos
Portemonnaie mit einer Mischung aus deutschem und österreichischem Geld, ihre kleine Umhängetasche mit Stiften und Schminkzeug.
Wegen der Röntgengeräte hatte Gruschkow eine Zeit lang Bedenken gehabt. Er fürchtete, sie könnten den Mikrochip in der Kamera beschädigen, und hatte vorgeschlagen, ihn mit einer hauchdünnen Bleischicht zu ummanteln. Schnell waren sie davon wieder abgekommen. Blei erschien als schwarzer Fleck auf den Bildschirmen von Röntgengeräten, und schwarze Flecken würden das Interesse der Beamten auf sich ziehen. Schließlich hatten sie eine Reihe von Tests durchgeführt und die Strahlung über das übliche Maß hinaus erhöht, um ganz sicherzugehen.
Nichts war passiert.
Ihre Kameras, das Handy und die Tasche kamen auf der anderen Seite des Kastens wieder zum Vorschein. Eine Beamtin tastete sie ab, dann musste sie durch eine Detektorsperre gehen. Belustigt dachte sie, dass es vielleicht doch ganz gut gewesen war, auf das Piercing zu verzichten.
»Vielen Dank«, sagte die Beamtin.
Jana grinste.
»Schönen Abend noch«, sagte sie schmatzend, nahm ihr Equipment wieder in Empfang und verließ den Container auf der anderen Seite, während hinter ihr der Nächste zur Überprüfung einstieg.
Sie war auf dem Sicherheitsgelände.
Sie war drin.
Einen Moment lang fühlte sie ihr Herz schneller schlagen. Ein Vorgefühl des Triumphs ergriff von ihr Besitz, die Genugtuung, es bis hierhin geschafft zu haben. Jetzt hing alles nur noch vom Funktionieren des Systems ab. Und vom Wetter.
Sie dachte an den Lektor in der Spedition. Gruschkow würde ihn erst töten, wenn sie ihm die Anweisung gab.
Wenn sie die Anweisung gab.
Sie dachte an die Frau, die am Ende des Weges auf sie wartete, des langen Weges, den sie bis hierher gegangen war, ihres Lebensweges, der bald enden würde, um einem neuen Leben Platz zu machen.
Vielleicht forderte dieses neue Leben einen Eintritt, eine Morgengabe. Vielleicht das Fortbestehen dieses Lektors.
Vielleicht, dass sie ihn leben ließ.
Der Gedanke gefiel ihr. Sie packte die Riemen ihrer Kameras und ging über die Wiese hinüber zu den Pressezelten.
TERMINAL 2
Sechzehn Meter waren sechzehn Meter.
Auf zwei Zwischenebenen des Gerüsts machte O'Connor Halt und inspizierte die Einfassungen der riesigen Glasscheiben.
Paddy musste den Spiegel außen installiert haben, wenn das System funktionieren sollte, aber nirgendwo ließ sich die gläserne Fläche öffnen. Unter ihm wurden die Menschen, die den Hallenboden bevölkerten, kleiner. Auf den Gerüsten selbst war niemand zu sehen. O'Connor warf einen Blick auf seine Armbanduhr, die kurz nach sieben anzeigte.
Noch eine Viertelstunde. Was zum Teufel trieb Mahder so lange?
Im selben Moment klingelte sein Handy.
»Ja?«
»Mahder.«
»Na endlich! Wo bleiben Ihre Leute?«
»Ich musste tausend Purzelbäume schlagen, bis ich Lavallier an der Strippe hatte«, quakte Mahders Stimme. »Ich dachte eigentlich, das sei das Wichtigste.« Er klang beleidigt. »Ich habe getan, was ich konnte. Gleich kommt Ihre Verstärkung, okay? Schneller ging's nicht.«
»Lavallier ist informiert?«
»Ich habe ihm alles so weitergegeben, wie Sie es mir erzählt haben. Milde ausgedrückt, er war bestürzt.«
O'Connor atmete auf.
»Gut. Bis später.«
Er schaltete ab. Eigentlich konnte er jetzt seine Suche einstellen. Aber er wusste von allen am besten, wonach er Ausschau halten musste.
Langsam kletterte er höher, bis er direkt unter dem Dach war.
Hier oben verlor man komplett die Übersicht. Zwischen den Gestängen war es wie in einem Wald. Einen Moment lang fühlte O'Connor seinen Mut sinken. Die stählernen Konstruktionen, auf denen das Dach ruhte, boten durchaus Raum für Vertiefungen, in denen man Spiegel verstecken konnte, aber sie lagen sämtlich hinter Glas. Er würde hinaus aufs Dach klettern müssen. Kein allzu behaglicher Gedanke. O'Connor war nicht unsportlich und kein Angsthase, aber große Höhen machten ihm zu schaffen.
Erneut sah er nach unten. Man musste halt einfach so tun, als befinde man sich lumpige zwanzig Zentimeter über dem festen Boden. Dann ging es. Sagten die Schlaumeier, die selbst kein Problem damit hatten, über ein zwischen zwei Kirchtürme gespanntes Seil zu laufen.
Unter ihm trat eine Gestalt vor das Gerüst und winkte.
»Dr. O'Connor!«
Er sah genauer hin.
Es war Josef Pecek. Der Techniker.
»Sie kommen wie bestellt«, rief O'Connor. »Können Sie mir helfen?«
»Ich wurde bestellt«, sagte Pecek.
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