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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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des Terminals aneinander stießen, und O'Connor fühlte sich von leichtem Schwindel erfasst. Nicht genug dessen, dass es unter ihm sechzehn Meter abwärts ging, narrten ihn die Glasflächen und suggerierten ihm, in der leeren Luft zu stehen, nur wenige Zentimeter entfernt vom Abgrund. Er wusste, dass die Scheiben ihn schützten, aber sein Unterbewusstsein erhielt die Information, er stehe am Ende einer Planke und werde hinabstürzen.
    Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück.
    Pecek grinste. Anscheinend amüsierte ihn O'Connors Höhenangst.
    Er löste eine dünne Stange aus einer Halterung und drückte dagegen.
    Dicht über ihnen schwang ein Rechteck von etwa vier Quadratmetern nach außen. Pecek griff über sich und zog eine Aluminiumleiter herab.
    »Nach Ihnen«, sagte er.
    O'Connor zögerte. Er spürte, wie ein Kribbeln seine Leistengegend durchzog.
    »Warum gehen Sie nicht vor?«, sagte er. »Sie wissen ja, was wir suchen.«
    Pecek schenkte ihm einen mitleidigen Blick. Dann kletterte er die Leiter hoch und durch die Luke nach außen. O'Connor sah, wie er sich aufrichtete und zu ihm herunterblickte.
    »Kommen Sie nun, Doktor? Ich sehe keinen Spiegel, aber ich sehe wahrscheinlich nicht richtig hin.«
    Er hat ihn getarnt, du Irrtum der Evolution, hätte O'Connor am liebsten nach oben gerufen. Mit einem tiefen Durchatmen zwang er die Furcht zurück und umfasste die Sprossen der Leiter.
    »Es ist sicher hier oben«, hörte er Peceks Stimme. »Kann nichts passieren. Nach Ihnen werden noch Dutzendschaften hier rumlaufen und nach dem Rechten sehen, also seien Sie nicht so ein Hasenfuß!«
    Der Techniker lachte. O'Connor biss die Zähne aufeinander und setzte den linken Fuß auf die unterste Sprosse.
    Höhenangst. Fallangst.
    Nichts konnte schlimmer sein. Er hatte mitunter Träume, in denen er auf der Spitze eines Turmes balancierte, einer winzigen Fläche, die ständig kleiner wurde, bis er sich nicht mehr halten konnte und kippte …
    Entschlossen kletterte er nach oben.
    Wind und Regen schlugen ihm ins Gesicht. Er zog sich aus der Luke und sah sich um. Hinter ihm erstreckte sich das Dach Hunderte von Meter weit. Es hatte tatsächlich etwas von einer Ziehharmonika. Oder erinnerte an ein Blatt, das man in parallelen Linien dutzendfach geknickt und dann auseinander gezogen hatte. Zwischen den erhabenen Falzen verliefen schmale stählerne Stege, auf denen man sich fortbewegen konnte, so geschickt angeordnet, dass man sie von unten nicht sah. Wer aus der Abflughalle nach oben blickte, gewahrte nur Glas.
    Auf einem der Stege stand Pecek und winkte ihn heran. Sie waren direkt vor der Dachkante. Zu beiden Seiten des Winkels ging es steil abwärts. Tief unter ihnen lag das Vorfeld. Winzige Menschen bewegten sich darüber. Autos wie Modelle. O'Connor sah auf das sternförmige Gate, das ein Stück entfernt aus dem alten Terminal herauswuchs, und erschauderte. Von hier oben wirkten selbst die angedockten Jumbos wie Spielzeuge.
    Nirgendwo gab es einen Schutz. Kein Geländer, nichts.
    »Und?« Pecek schien bester Laune. Er trat bis dicht an die Kante und sah hinab. »Wo fangen wir an?«
    »Gleich an der Ecke«, sagte O'Connor. Seine Füße schienen wie festgeschweißt. Unter Aufbietung aller Willenskraft bewegte er sich tastend zu dem Techniker und versuchte, den Abgrund zu ignorieren, aber es war beinahe unmöglich. Zu seiner Rechten ging es mindestens zwanzig Meter in die Tiefe. Schaute er nach vorne, war es nicht anders.
    Pecek balancierte mühelos ein paar Schritte weiter und ging in die Hocke. Sein Oberkörper beugte sich über die Kante. O'Connor wurde schlecht vom Hinsehen.
    »Kein Spiegel«, rief er.
    O'Connor richtete den Blick in den Himmel und dann dorthin, wo der Super-Runway begann. Je weiter er in die Ferne schaute, desto besser ging es. Eine Maschine der Lufthansa kam herangeschwebt. Auf Höhe des Terminals war sie bereits tiefer als O'Connor.
    »Versuchen Sie es direkt an der Spitze«, sagte O'Connor.
    »Geht klar, Chef.«
    Pecek rutschte einen Meter weiter und untersuchte das Gestänge. Seine Hände glitten über das rund gebogene Metall.
    Plötzlich hielt er inne.
    »He, Doc.«
    »Was ist, Jo?«
    »Ich weiß nicht, ob es das ist, was Sie suchen. Hier ist eine Klappe eingelassen. So was hat hier eigentlich nichts verloren.«
    O'Connor fühlte, wie ihn eine Welle der Erregung erfasste. Für einen Moment vergaß er seine Angst. Mit unsicheren Schritten tastete er sich zu Pecek und ging neben ihm in die

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