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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Fragen. Da er von Wein nicht viel verstand, versickerte die Konversation nach wenigen Kilometern und wich meditativem Schweigen.
    Er hatte wenig Neigung verspürt zu erfahren, an welchen Ort der andere ihn bringen würde. Es war jedes Mal das Gleiche. Irgendwo hinfahren oder hingefahren werden, wo sich die Hühner gute Nacht sagten. Mitunter waren es mühselige Fahrten und freudlose Ziele wie die verfallene Klosterkirche, dann wieder gut situierte Restaurants oder Theaterfoyers. Am häufigsten hatte man ihn in Hotelzimmer zitiert. Mirkos einzige Hoffnung galt der Aussicht, im Anschluss an das folgende Gespräch einen Teller Pasta zu bekommen. Mirko liebte Pasta. Er litt schrecklichen Hunger, weil er – wenngleich weit davon entfernt, ein Gourmet zu sein – den Flugzeugfraß wie immer nicht hinunterbekommen hatte.
    Er sah aus dem Fenster und erfreute sich an der Landschaft.
    Am späten Vormittag erreichten sie Triora. Der junge Mann ließ ihn aussteigen und erklärte ihm den Weg durch die Gassen zur Bibliothek. Sie war nur im August geöffnet. Es spielte keine Rolle. Niemandem ging es an diesem Tag um Bücher oder Schriften.
    Hier war es, wo Mirko zum ersten Mal mit Jana zusammentraf.
    Im Allgemeinen pflegte er sich keine Vorstellung von anderen Leuten zu machen, bevor er sie nicht persönlich in Augenschein genommen hatte. Es war spekulativ und lohnte nicht die Mühe der Imagination. Nach wie vor war der Markt jedoch von Männern dominiert, und so war selbst Mirko letztlich dem Reiz erlegen, Jana a priori Gesicht und Statur zu geben. Viel war ihm nicht dazu eingefallen, allenfalls jemand mit den äußerlichen Attributen einer Sigourney Weaver, hochgewachsen und kantig, vielleicht nicht so attraktiv, aber durchaus in der Lage, sich nötigenfalls mit dem Teufel oder einem Dutzend Aliens anzulegen.
    Die mittelgroße Frau mit den ansprechenden Zügen und dunklen Augen, gut aussehend und zugleich jemand, an dem man in der Menge vorbeiging, erschien ihm auf den ersten Blick unpassend. Sie trug das rotbraune Haar schulterlang und gewellt. Ihre Kleidung war elegant bis unauffällig, ihre Stimme weder laut noch leise. Einen Moment lang war Mirko enttäuscht, bis er ihre Körperspannung gewahrte und begriff, dass er auf eine Hülle blickte, und er erkannte die Maschinerie der Präzision und das Chamäleon in ihr. Hier und jetzt sah er nur, was Jana ihn sehen lassen wollte. Einen Menschen, an den man sich nicht erinnerte. Morgen mochte sie die Pennerin an der Straßenecke sein, am selben Abend der glamouröse Mittelpunkt einer Dinnerparty. Jede Bewegung, als sie einen Schritt auf ihn zumachte, signalisierte ihm, dass die Frau mit dem Decknamen Jana alles und jeden ihrer Kontrolle unterwerfen würde, wenn es drauf ankam.
    Sie gaben einander die Hand und begaben sich auf einen harmlosen Spaziergang durch die düstere Geschichte des Ortes.
    Mittlerweile hatte sich das mittelalterliche Grauen der »Hexenhochburg« zur Sehenswürdigkeit gewandelt. Sie passierten die Cabotina, eine Ruine, die den angeblichen Hexen als Treffpunkt gedient hatte. Trioras finstere Vergangenheit übte einen morbiden Reiz auf Mirko aus. Nichts in dem Geflecht aus überbauten Gängen, das sie durchquerten, ließ die helle Leichtigkeit der Riviera erahnen, die nur eine halbe Autostunde entfernt lag. Im Dezember waren die ligurischen Berge in Dunst gepackt, der selten einen Blick auf die blasse Scheibe der winterlichen Sonne freigab. In die Hohlwege fand das spärliche Licht so gut wie gar nicht, sie schlossen die Gegenwart aus und jede Freundlichkeit und Wärme.
    Janas Silhouette verschmolz mit den Schatten, bis die Häuserkaskade nach einer Biegung jäh abbrach und sie hinaustraten auf eine verborgene Terrasse. Mirko folgte ihr ohne Hast. Flechten, Moose und wilder Wein überwucherten das Mauerwerk der Brüstung. Es roch nach modrigem Stein. Einige Meter weiter endete eine eingestürzte Treppe im Nichts, dahinter ging es steil abwärts. Der Platz ruhte auf den Resten der mittelalterlichen Befestigungsanlagen, jenseits derer sich der Blick ins Tal und auf das verhangene Graugrün der Berge öffnete.
    Mirko genoss die Stille. Kein Platz schien geeigneter, um in Ruhe über den Tod zu sprechen. Es gab nicht vieles, was ihn wirklich berührte, aber Stille gehörte dazu. Sie war ein Luxus und umso schöner, als man sie kaufen konnte. Insgeheim war er Jana dankbar, dass sie ihn hierher geführt hatte, wenngleich solche Empfindungen für den Inhalt ihrer

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