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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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versuchen. Terrorismus funktioniert heute ähnlich wie eine Karriere in einem Konzern oder in der Politik. Man fragt nach Ihren Zeugnissen und Referenzen. Niemand, der seinen Marktwert steigern möchte, wird einen Misserfolg auch nur erwägen, aber jeder Professionelle weiß, wie schmal der Grat ist. Es kommt darauf an, welche Anforderungen Sie stellen. Wollen Sie jemanden nur töten oder auf eine ganz bestimmte Weise töten, an einem ganz bestimmten Ort, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt? In gleichem Maße, wie sich die Anforderungen summieren, verringern sich die Chancen, dass es klappt, so ist das nun mal. Aber wenn es klappt … dann – wie sagten Sie so treffend? – dreht sich die Welt ein bisschen schneller. Dann spielen Sie plötzlich in der Oberliga.«
    »Welche Referenzen hatte denn dieser … Habasch?«
    Mirko lächelte. »München, 1972. Olympiade. Sie haben elf israelische Athleten ermordet, wissen Sie noch? Ausgerechnet in Deutschland. Es gab ein Blutbad, auch ein paar Palästinenser gingen drauf, und die anderen wurden verhaftet. Nimmt man Habaschs Regel wörtlich, war die Aktion ein ebensolcher Fehlschlag wie die missglückte Befreiung durch die deutsche Polizei. Aber dafür nahm die Welt erstmals wahr, dass es überhaupt ein israelisch-palästinensisches Problem gab. So gesehen also wieder ein Erfolg. Es ist immer die Frage, wie Sie Erfolg definieren.« Er machte eine Pause. »Der Punkt ist, es hätte der Volksfront nichts gebracht, irgendwelche El-Al-Büros in die Luft zu jagen. Es ging explizit darum, den Israelis ihre wichtigsten Leute zu nehmen. Da sie an die Politiker nicht rankamen, verlegten sie sich eben auf die Sportler und Künstler.«
    Der alte Mann nagte an seiner Unterlippe.
    »Sie meinen, es gibt tatsächlich keine Garantie?«
    »Nicht für das, was Sie vorhaben. Aber es gibt eine Garantie für den Effekt, wenn es hinhaut. Aus dieser Zwickmühle kann ich Ihnen auch nicht raushelfen. Sie wollen eine Inszenierung. Gut. Wenn Sie Pavarotti buchen, und er hat an dem Abend Grippe, ist das Scheitern ebenso fulminant, wie es der Erfolg gewesen wäre. Carlos hat einen Millionendeal platzen lassen, weil Nebel war und er sein Opfer nicht sehen konnte. Das passiert. Die IRA hat als erste Organisation eine mikrochipgesteuerte Bombe zum Einsatz gebracht, um Maggie Thatcher in die Luft zu sprengen. Sie hatten das Ding Wochen vorher platziert. Dummer Zufall, dass es nicht klappte. Oder nehmen Sie Ghaddafi. Er war mächtig sauer wegen der amerikanischen Bombardierung von Tripoli und Bengasi zwei Jahre zuvor, also bat er Carlos und die Japanische Rote Armee um Hilfe. Lauter Spitzenleute. Sie ließen es in einer US-Luftwaffenbasis krachen, vor amerikanischen Militärclubs. Die Krönung sollte ein Anschlag mitten in Manhattan sein, mit Hunderten von Toten. Dummerweise geriet der Mann, der die Sprengkörper platzieren sollte, in eine routinemäßige Verkehrskontrolle, und alles flog auf. Tja. Hohe Ziele, hohe Risiken.«
    Der alte Mann sagte nichts.
    Schließlich fragte Mirko: »Und? Was soll ich Jana sagen? Wollen Sie sich die Sache noch mal überlegen?«
    »Nein! Sie soll sich verdammt noch mal was einfallen lassen.« Der Alte legte die Fingerspitzen aneinander. »Der Preis klingt höher, als er ist. Ich trage die Kosten ja nicht ganz allein. Sobald das Abkommen steht, werde ich Sie über sämtliche Einzelheiten ins Bild setzen.« Er lächelte wieder sein Haifischlächeln. »Sie sollen nicht dumm sterben, Mirko. Ursächliche Zusammenhänge von größter Delikatesse werden sich Ihnen offenbaren. Sie dürfen gespannt sein.«
    »Ich bin gespannt, ob ich Recht behalte«, sagte Mirko, der langsam Gefallen an dem Katz-und-Maus-Spiel fand, das sein Gegenüber betrieb. »Ich würde sagen, wir addieren Hass und Patriotismus und multiplizieren es mit den wirtschaftlichen Interessen einer größeren Clique, die Ihnen finanziell unter die Arme greift. Den Hass bezahlen Sie, den Patriotismus Ihre politischen Freunde, und der Rest kommt von den schwarzen Konten der Konzerne. Bin ich in etwa auf der richtigen Fährte?«
    »Willkommen im Trojanischen Pferd«, sagte der Alte und klatschte in die Hände.
    Mirko neigte leicht den Kopf.
    Der Hofnarr macht einen Knicks und lässt die Schellen bimmeln, dachte er. So überlebt man im Zweifel seinen König.
1998.15. JUNI. KOELN. AIRPORT
    Das Erste, was Prof. Dr. Liam O'Connor erblickte, als er kerzengerade an der Stewardess vorbeidefilierte, war eine Röhre von Escher'schen

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