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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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wog etwas über siebzig Kilo und hatte ein so hageres Gesicht, dass man bei seinem Anblick unwillkürlich dachte, jemand sollte ihn mal ordentlich aufpäppeln. Sein dunkles, fast schwarzes Haar war schon eine Weile weder geschnitten noch gewaschen worden. Auf seinem rechten Arm befand sich eine stümperhafte Tätowierung: eine Möwe, die über eine Palme flog.
    Die kühle Frühlingsluft ließ ihn plötzlich erschauern. Er zitterte kaum merklich, seine Finger zuckten, und er rutschte aus dem Schlitz des winzigen Schraubenkopfs. Gillette seufzte ärgerlich. Mochte er auch noch so viel technisches Geschick haben – ohne ordentliches Werkzeug kam man nur bis an bestimmte Punkte. Den Schraubenzieher, mit dem er im Augenblick arbeitete, hatte er aus einer Büroklammer gefertigt. Ansonsten standen ihm lediglich seine Fingernägel als Werkzeuge zur Verfügung. Selbst eine Rasierklinge wäre zum Öffnen dieser Schrauben besser geeignet gewesen, aber so etwas war hier, in Gillettes vorübergehender Unterkunft, der Bundesstrafanstalt für Männer in San Jose, Kalifornien, nicht aufzutreiben.
    Langsam, vorsichtig …
    Nachdem die Platine entfernt war, lag endlich der Heilige Gral, hinter dem er her gewesen war, offen vor ihm. Er bog die winzigen Drähtchen des kleinen grauen Transistors hin und her, bis sie nachgaben. Anschließend setzte er den Transistor auf eine andere kleine Platine und zwirbelte die Drähtchen vorsichtig zusammen, um den Kontakt zu schließen (was hätte er für einen Lötkolben gegeben, aber selbstverständlich stand den Häftlingen auch so etwas nicht zur Verfügung).
    Er war kaum fertig damit, als ganz in der Nähe eine Tür knallte und Schritte auf dem Korridor zu hören waren. Gillette sah erschrocken auf.
    Jemand näherte sich seiner Zelle. Herrgott noch mal, nein!, dachte Gillette.
    Die Schritte waren nicht mehr weit weg. Er legte die Platine, an der er gearbeitet hatte, zwischen die Seiten einer Ausgabe von
Wired,
schob die anderen Bauteile rasch in das Gehäuse des Radios zurück und stellte es wieder an die Wand.
    Dann legte er sich auf die Pritsche, blätterte in einer Ausgabe von
2600,
dem Hacker-Journal, herum und schickte ein Stoßgebet an den »Gott für alle Fälle«, an den sich nach einer gewissen Zeit hinter Gittern sogar die atheistischen Häftlinge hin und wieder wenden: Bitte mach, dass sie meine Zelle nicht filzen. Und wenn doch, bitte mach, dass sie die Platine nicht finden.
    Der Aufseher spähte durch das Guckloch und sagte: »Mach den Adler, Gillette.«
    Der Häftling erhob sich und stellte sich, mit gespreizten Beinen und die Hände auf den Kopf gelegt, mit dem Rücken an die hintere Wand.
    Der Aufseher betrat die kleine, nicht sehr helle Zelle. Wie sich kurz darauf herausstellte, handelte es sich nicht um eine Durchsuchung. Er forderte Gillette auf, die Hände nach vorne zu strecken, legte ihm Handschellen an und führte ihn hinaus.
    An der Kreuzung der Korridore, dort, wo der Verwaltungstrakt auf den Besucherbereich stieß, bog der Aufseher um die Ecke und führte den Gefangenen in einen ihm unbekannten Gang. Die Musik und das Geschrei aus dem Hof wurden leiser, und kurz darauf schob man ihn in einen kleinen Raum, der mit einem Tisch und zwei Bänken möbliert war, alles am Boden festgeschraubt. An den Metallringen auf dem Tisch konnte man die Inhaftierten fesseln, doch der Aufseher verzichtete darauf, Gillettes Handschellen dort einzuhaken.
    »Setz dich.«
    Gillette setzte sich. Was sollte das alles?
    Der Aufseher ging wieder hinaus, die Tür knallte hinter ihm zu, und Gillette blieb mit seiner Neugier allein. Er saß zitternd in dem fensterlosen Raum, der ihm in diesem Augenblick weniger wie ein Ort der Real World vorkam, sondern eher wie eine Szene aus einem Computerspiel, dessen Handlung im Mittelalter angesiedelt war. Diese Zelle sah aus wie das Verlies, in das man die auf der Folterbank gemarterten Körper der Ketzer warf, bevor sie von der Axt des Scharfrichters erlöst wurden.
    Thomas Frederick Anderson war ein Mann mit vielen Namen. In der Grundschule hatten sie ihn Tom oder Tommy genannt.
    Später, auf der High School in Menlo Park, wo er Rundbriefe herausbrachte und auf Trash-80s, Commodores und den ersten Apple-Computern herumhackte, folgten Spitznamen wie Tarnkappe oder CryptO.
    Als er für die Sicherheitsabteilungen bei AT&T, Sprint und Cellular arbeitete und Hacker, Phreaks und Call Jackers aufspürte, hieß er »T. F.« (wobei seine Initialen, wie seine Kollegen

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