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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Geschäftsanwendungen und Dienstprogramme von Western Software waren die Kronjuwelen der Firma gewesen; ein skrupelloser Hacker, der sich illegalerweise in ihren Besitz brachte, könnte die Milliarden schwere Firma über Nacht vom Markt fegen.
    »Ich habe mit den Codes überhaupt nichts gemacht«, meinte Gillette. »Ich habe sie nach dem Herunterladen gleich wieder gelöscht.«
    »Warum haben Sie das System dann überhaupt geknackt?«
    Der Hacker zuckte die Achseln. »Weil ich den Obermacker der Firma irgendwo im Fernsehen gesehen habe, bei CNN oder so. Er meinte, niemand käme in ihr Netzwerk rein, ihr Sicherheitssystem sei idiotensicher. Ich wollte nur mal herausfinden, ob das stimmte.«
    »Und?«
    »Doch, sie waren tatsächlich idiotensicher. Das Problem ist nur, dass man sich nicht gegen Idioten absichern sollte, sondern eher gegen Leute wie mich.«
    »Warum haben Sie ihm nicht von den Sicherheitsmängeln erzählt, nachdem Sie einen
white hat
durchgeführt hatten?«
    Whitehats waren Hacker, die Computersysteme knackten und ihre Opfer auf die Sicherheitsmängel aufmerksam machten. Manchmal taten sie das nur des Ruhmes und der Ehre willen, manchmal auch gegen Geld. Oder einfach nur, weil sie es für richtig hielten.
    Gillette zuckte die Achseln. »Das ist deren Problem. Es ist nicht mein Job, die Welt zu retten. Er meinte, es sei unmöglich. Ich wollte nur sehen, ob ich es nicht doch schaffe.«
    »Warum?«
    Wieder ein Achselzucken. »Neugier.«
    »Warum hat Sie das FBI dann dermaßen in die Mangel genommen?«, wollte Anderson wissen. Wenn ein Hacker nicht geschäftsschädigend auftrat oder sein Diebesgut nicht verkaufte, griff das FBI nur selten ein, geschweige denn, dass es einen solchen Fall gleich dem Justizminister übergab.
    Diese Antwort lieferte der Gefängnisdirektor: »Wegen der Geschichte mit dem Verteidigungsministerium.«
    »Verteidigungsministerium?« Anderson warf einen Blick auf die auffällig miese Tätowierung auf Gillettes Arm. Sollte das ein Flugzeug sein? Nein, wohl eher ein Vogel.
    »Das ist Quatsch«, brummte Gillette. »Völliger Blödsinn.«
    Der Detective sah den Direktor an, der erläuternd ergänzte: »Das Pentagon ist davon überzeugt, er hat ein Programm oder irgend so etwas geschrieben, mit dem sich die neueste Verschlüsselungssoftware des Verteidigungsministeriums knacken lässt.«
    »Dieses Standard-Zwölf?« Anderson lachte trocken auf. »Man müsste mehrere Supercomputer sechs Monate lang auf Hochtouren laufen lassen, um auch nur eine einzige E-Mail zu knacken.«
    Standard-Zwölf hatte erst vor kurzem das überholte DES als absolut neueste Verschlüsselungssoftware ersetzt. Mit diesem Programm codierten die Behörden ihre allergeheimsten Daten und Nachrichten. Das Verschlüsselungsprogramm war für die nationale Sicherheit so wichtig, dass es in den Ausfuhrbestimmungen des Landes als »Rüstungsmaterial« geführt wurde und nicht ohne Zustimmung der Militärs ins Ausland transferiert werden durfte – aus Angst davor, Terroristen oder andere Regierungen könnten es einsetzen und der CIA könnte dann deren Geheimnachrichten nicht mehr ausspionieren.
    »Aber selbst wenn es ihm wirklich gelungen sein sollte, etwas zu knacken, das mit Standard-Zwölf chiffriert war, na und?«, fuhr Anderson fort. »Das versuchen doch alle.«
    Es war auch nichts Illegales dabei, so lange das verschlüsselte Dokument nicht streng geheim war oder gestohlen wurde. Im Gegenteil, viele Software-Hersteller forderten die Leute sogar auf, Dokumente zu knacken, die mit ihren Programmen verschlüsselt wurden, und versprechen jedem, dem es gelingen sollte, einen ansehnlichen Preis.
    »Nein«, erklärte der Direktor, »das Verteidigungsministerium sagt, er sei in ihren Computer eingestiegen, habe etwas darüber herausgefunden, wie Standard-Zwölf arbeitet, und dann ein eigenes Programm geschrieben, mit dem sich das Dokument entschlüsseln lässt. Und das in wenigen Sekunden.«
    »Unmöglich«, staunte Anderson und lachte. »Das ist nicht zu schaffen.«
    »Genau das habe ich denen auch gesagt«, meinte Gillette. »Aber sie haben mir nicht geglaubt.«
    Aber wenn er die wachen Augen des Mannes betrachtete, die tief in den Höhlen unter den dunklen Brauen lagen, die ungeduldig herumspielenden Hände, fragte er sich, ob der Hacker vielleicht nicht doch ein solches Zauberprogramm geschrieben haben könnte. Anderson selbst wäre dazu nicht in der Lage, und er kannte auch niemanden, der so etwas schaffen würde.

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