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Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Titel: Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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umfangreiches Buch aufmerksam, das die kleinen Kinder beim Spiel als Schemel benutzten. Es sah wie eine Familienbibel aus. Mr. X. war bekümmert, die Heilige Schrift so missbraucht zu sehen; überdies weckte das altertümliche Aussehen des Buches seine Sammlerleidenschaft; er hob den Band auf und untersuchte ihn. Jähe Freude durchbebte ihn wie ein Erdstoß von der Kuppel bis zum Keller – das Buch war ein Shakespeare, Erstausgabe, und gut erhalten!
    Sobald er seine Fassung wiedergefunden hatte, fragte er den Farmer, wo er das Buch herhabe. Der Farmer sagte, es habe seit undenklichen Jahren oder gar Generationen seiner Familie in Neuengland gehört, und als er auf der Suche nach einer neuen Heimat in den Westen zog, habe er das Buch nur mitgenommen, weil es eben ein Buch war; man wirft doch Bücher nicht weg.
    Mr. X fragte ihn, ob er es verkaufen wolle. Der Farmer bejahte, er würde es gern gegen ein, zwei Bücher anderer Art eintauschen – neuere und fesselndere Bücher.
    Mr. X. sagte, er würde es also mitnehmen und …«
    An dieser Stelle unterbrach jemand unser Gespräch, und wir nahmen es nicht wieder auf. Auf dem Heimweg dachte ich über die unvollendete Erzählung nach, und im Bett kam ich immer noch nicht davon los. Es war eine interessante Situation, und ich bedauerte die Unterbrechung; daich noch nicht müde war, nahm ich mir schließlich vor, die Geschichte selbst zu Ende zu führen. Ich wusste, das wäre leicht, denn solche Geschichten folgen immer einem bestimmten festgelegten Schema und führen am Ende alle zu demselben Ziel.
    Ich muss einen Augenblick zurückgreifen, denn ich habe einen Umstand vergessen. Das Buch hatte in dem Geistlichen nicht nur ein freudiges Erdbeben ausgelöst, sondern zwei, denn er fand darin ein Autograph, das eindeutig von Shakespeare stammte – ein fabelhafter Fund, denn es sind überhaupt nur zwei weitere auf unserer Erde bekannt! Neben Shakespeares Namen stand noch einer – Ward. Zweifellos würde dieser Name eine Handhabe bieten, um die Herkunft des Buches festzustellen und seine Echtheit zu beweisen.
    Wie gesagt, sollte sich die Geschichte leicht zu Ende führen lassen, und ich begann mir Gedanken zu machen. Ich dachte mir eine mich befriedigende Fortsetzung aus, und zwar wie folgt:
    Meine Version
    Sobald der Geistliche nach Hause kam, sah er die letzten Notierungen des Marktes für seltene Bücher durch und stellte fest, dass tadellose Exemplare von Shakespeare-Erstausgaben seit den Preislisten des letzten Herbstes um 5% gestiegen waren, das Exemplar des Farmers somit 7300 Dollar wert war; weiterhin stellte er fest, dass der Listenpreisfür ein echtes Shakespeare-Autograph von 55 000 auf 60 000 Dollar gestiegen war. Er dankte Gott demütig und inbrünstig für den glücklichen Zufall, der ihm diese Schätze über den Weg geführt hatte, und entschloss sich, sie seiner Sammlung einzuverleiben und diese Sammlung damit berühmt zu machen und ihren Ruf für immer zu begründen; also schrieb er einen Scheck über 67 300 Dollar aus und schickte ihn dem Farmer, der seine Überraschung und Dankbarkeit nicht in Worte zu fassen vermochte.
    Ich war mit meiner Version sehr zufrieden und auch ein wenig stolz auf sie; deshalb war ich sehr darauf erpicht, den Rest der anderen Version zu erfahren, um zu sehen, ob mir irgendwelche Abweichungen unterlaufen waren. Ich stöberte den Erzähler auf, und er lieferte mir das Gewünschte wie folgt:
    Schluss der ersten Version
    »Es stellte sich heraus, dass der ungeheure Fund echt und im einschlägigen Handel viele Tausende Dollar wert war; der Wert des Autographs ließ sich in Dollars gar nicht abschätzen, denn gewisse amerikanische Multimillionäre hätten mit Freuden Dreiviertel eines Jahreseinkommens dafür gegeben. Der großmütige Geistliche vergaß den armen Farmer nicht, sondern schickte ihm ein Lexikon und 800 Dollar.«Beim Cäsar! Ich war enttäuscht und sagte das auch. Es entspann sich eine Diskussion, an der sich mehrere von uns beteiligten; ich behauptete, der Geistliche habe sich dem Farmer gegenüber nicht großmütig verhalten, sondern habe dessen Unkenntnis ausgenutzt, um ihn zu übervorteilen; die anderen hoben hervor, die Kenntnisse des Geistlichen seien ein wertvoller Besitz, den er sich durch Studium und Fleiß errungen habe, und jeder Gewinn, den er daraus ziehen könne, stehe ihm rechtmäßig zu – er sei nicht verpflichtet, diese wertvollen Kenntnisse an einen Menschen weiterzugeben, der sich immer nur für

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