Lavendel gegen Ameisen
gefangen?», fragte er mit vollem Mund.
«Nein, leider nicht. Ich gehe jetzt auch duschen. Deck doch schon mal den Tisch.»
«Typisch», murrte Christian, «immer ich.»
Sie frühstückten in aller Ruhe, erzählten, lachten, und Toppe hatte das Gefühl, er wäre wochenlang weg gewesen. Auch jetzt gehörte er noch nicht wieder ganz zur Familie. Er kam sich eher vor wie ein besonders willkommener Gast.
Gegen elf kam wieder ein Anruf.
Oliver düste zum Telefon. «Oliver Toppe. Ja, der ist noch da. Papa», brüllte er, «dein Chef!»
Dabei zog er eine affige Grimasse, und Christian lachte laut.
«Pst!» Gabi stieß ihm den Ellbogen in die Seite.
Dr. Bouwmanns ließ sich berichten.
«Nun, das klingt doch recht zufriedenstellend. Ich bin sicher, Sie bringen den Fall auch ohne die Tatwaffe zu Ende.»
Toppe sagte nichts.
«Dann will ich Sie nicht länger von der Arbeit abhalten, Herr Toppe. Wir sehen uns in der nächsten Woche. Bis Mittwoch bin ich allerdings auf einer Tagung in München. Womöglich haben Sie den Fall bis dahin ja schon abgeschlossen.»
«Womöglich», antwortete Toppe.
Er setzte sich nicht wieder an den Frühstückstisch, sondern trank den letzten Schluck Kaffee im Stehen.
«Wann kommst du wieder?», fragte Gabi.
Toppe zuckte die Achseln. «Keine Ahnung. Tschüss, ihr drei.»
Als er schon im Flur war, rief sie hinter ihm her: «Wir müssen über Olivers Kommunion reden.»
Die ganze Zeit hatte er das Gefühl gehabt, dass sie an etwas herumdruckste. Das war es also gewesen.
«Heute Abend», rief er zurück und schlug die Wohnungstür hinter sich zu.
Scheiß Kommunion.
Hochzeit, Taufen, Religionsunterricht, Kommunion – Kirche – ein ewiges Thema bei ihnen. Er hatte sich Gabi zuliebe auf eine kirchliche Trauung eingelassen, war sogar konvertiert, wie es so großartig hieß, dabei war ihm die Kirche, solange er denken konnte, schnurzegal gewesen. Gabi übrigens auch, wenn sie ehrlich war.
Aber ihre Eltern, die Lehrer, die Mitschüler und überhaupt, man könne doch die Kinder nicht so ausschließen. Er hatte sich immer wieder gefügt, einfach weil er einem Grundsatzstreit aus dem Weg gehen wollte. Aber Christians Kommunion war unerträglich gewesen. Verlogene Heuchelei und leere Rituale, eine Aneinanderreihung von Floskeln, alles hatte mit den Kindern, um die es doch eigentlich gehen sollte, so wenig zu tun, dass es ihm unbegreiflich war. Auf der kleinen Feier nach der Zeremonie war ihm dann der Kragen geplatzt, und er hatte seine Meinung laut kundgetan und sich mit seiner Schwiegermutter und den anderen Oberkatholen angelegt. Erst Christians Tränen hatten ihn dazu bewogen, den Mund zu halten. Aber er hatte sich geschworen, so ein Theater nicht noch einmal mitzumachen. Seitdem hatten Gabi und er das Thema nicht wieder berührt. Keiner von ihnen, auch Christian nicht, war seitdem jemals wieder in der Kirche gewesen.
Er stieg ins Auto und schaute auf seine Uhr, Viertel nach elf, Samstag.
Die Arbeit konnte noch eine halbe Stunde warten, er würde bei der Theaterprobe an der Sebus-Schule hereinschauen.
Leise öffnete er die Tür zur Aula. Ein bisschen komisch kam er sich schon vor, er war der einzige Zuschauer. Schnell glitt er auf den Stuhl, der der Tür am nächsten stand.
Die Bühne war hell erleuchtet. Sie probten noch ohne Kulissen und Kostüm. Oder war so etwas gar nicht vorgesehen? In der ersten Reihe saßen ein paar Jugendliche mit Textbüchern in der Hand. Links außen entdeckte er Sabine Landmann.
Auf der Bühne zwei Tische und mehrere Stühle. Am linken Bühnenrand stand ein etwa vierzig Jahre alter Mann, der ebenfalls einen Text in der Hand hatte, wohl der Lehrer, der die Sache leitete.
In der Mitte der Bühne befanden sich ein Junge und ein Mädchen, beide vielleicht siebzehn. Das Mädchen war außerordentlich hübsch, langes, seidiges Haar, große dunkle Augen. Der Junge hielt ihre Hand. «… ohne entsprechende Normen wird es uns nie gelingen, eine harmonische Einheit …»
«Stopp!», rief der Lehrer. «Stefan, du leierst. Ich weiß, wir machen das heute zum ersten Mal ohne Textbuch, aber du kannst das doch. Sei mal ein bisschen mutig und sprich ganz normal, so wie du’s mit dem Text in der Hand auch gemacht hast. Das klappt schon. Nochmal ab ‹… ganz allgemein›.»
Die beiden auf der Bühne traten ein paar Schritte auseinander, dann ging der Junge auf das Mädchen zu, ergriff seine Hand und begann: «Also, ganz allgemein genommen, ist die Aufstellung eines
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