Lavendel-Glorias Letzter Wille ROTE LATERNE Band 7 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
erwischt. Leichtsinn vermutlich. So etwas passiert, wenn sie den kalten Hund kriegt und das Zeug unbedingt braucht. Ich habe vorhin mit dem Krankenhaus geredet. Drogenabteilung. Sie glauben, dass sie sie über den Berg kriegen. Aber wie es mit ihr weitergeht, das ist eben so 'ne Frage. Sie scheint schon ziemlich lange süchtig zu sein. Das ist hier im Milieu nichts Außergewöhnliches.«
»Aber Gloria Frederic ist doch eine der sogenannten Edeldirnen des Milieus. Diese Frauen haben doch keine Sorgen und verdienen riesig. Ich versteh das nicht.«
»Es sind Welten, die uns trennen«, bemerkte der kleine Dicke mit dem roten Haar. »Das, was wir sehen, Stefan, ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Es sind auch für uns kaum Chancen gegeben, jemals tiefer hinabzutauchen in diesen Sumpf des Milieus.«
Die Chinesin trat an den Tisch, an dem eben Karin und Anita Platz genommen hatten.
»Bringst du uns 'nen Kaffee und 'nen Schnaps dazu, Ma-Lei-Tsung?«
»Mache ich. Du, Karin, ich muss dir etwas sagen!«
»Mir?«
»Ja, ich soll dir Grüße von Lavendel-Gloria ausrichten!«
»Mir? Wieso ausgerechnet mir?«
Karin und Anita hatten wie alle übrigen Damen des Milieus bereits von dem Vorfall erfahren. Keine wollte damit etwas zu tun haben.
»Ja, dir«, sagte "Ma -Lei-Tsung. »Gloria liegt in der Drogenabteilung des Städtischen Klinikums. Sie bittet dich um einen Besuch.«
»Ausgerechnet mich? Mensch, ich habe Gloria seit 'nem halben Jahr nicht mehr gesehen. Was will sie denn von mir?«
»Ich weiß es nicht. Sie hat es mir jedenfalls nicht gesagt.« Dann nannte die Chinesin die Besuchszeiten. »Ob du nun hingehst, ist deine Sache«, fügte sie hinzu. »Aber ich würde es an deiner Stelle doch tun. Ich glaube, Gloria hat dir eine wichtige Mitteilung zu machen.«
»Soll ich oder soll ich nicht?«, fragte Karin später, als sie mit Anita allein am Tisch saß. Die Mädchen rührten in ihrem Kaffee.
»Ach Gott«, seufzte Anita und stützte den Kopf in die Hände. »Was weiß man schon von ihr? Vielleicht ist sie genauso 'ne arme Haut wie wir. Zugegeben, sie hat sich abgesondert und sich immer als was Besseres gefühlt. Aber erinnerst du dich noch an die Zeit, in der sie bei uns im Eros-Center gewesen ist? Du musst doch zugeben, dass sie 'n echt feiner Kumpel war, oder nicht?«
»Das stimmt schon. Aber jetzt hängt sie an der Spritze. Verstehst du nicht, dass ich mich nicht gern in was hineinziehen lasse? Es reicht schon, dass wir bei Ma-Lei-Tsung verkehren. Die Bullen haben ein Auge auf uns geworfen.«
»Trotzdem würde ich an deiner Stelle hingehen. Du weißt ja nicht, was sie von dir will. Wenn sie dich um einen Gefallen bittet, der dir nicht passt, dann kannst du ja immer noch Nein sagen. Mensch, geh doch hin. Lass sie jetzt nicht hängen!«
Karin seufzte und überlegte hin und her.
Am darauffolgenden Tag hatte sie sich entschlossen, Lavendel-Gloria zu besuchen. Sie zog einen soliden Hosenanzug an und bürstete das dunkle, glänzende Haar. Dann fuhr sie mit dem Bus zum Klinikum. Sie hatte Mühe, sich durch die Bauten hindurchzufragen. Dann aber erreichte sie die Drogenstation. Hier war alles vergittert. Es waren Sicherheitsmaßnahmen getroffen.
Das, was Karin im Inneren dieses Gebäudes zu sehen bekam, erschütterte sie bis ins Mark. Tierische Schreie hallten aus manchen Zimmern. Hier und dort konnte Karin einen Blick hineinwerfen. Sie sah Frauen an Betten gefesselt, sah hilflose, irre und flackernde Blicke.
Nie wieder, dachte sie bei sich. Nie wieder nimmst du was von diesem Zeug!
Ganz unter dem Einfluss dieses Schocks wurde sie schließlich in ein Zimmer geführt. Hier lag Gloria in einem Bett. Auch ihre Hände waren angebunden. Man hatte Gloria wohl Medikamente gegeben, um sie ruhigzustellen.
Das Gesicht der schönen Prostituierten war wachsbleich. Der Blick war flackernd, denn auch die Medikamente schafften es nicht ganz, die Entzugserscheinungen zu beseitigen.
»Hallo, Gloria«, sagte Karin unsicher und trat auf das Bett zu.
»Entschuldige«, flüsterte Gloria. »Ich kann dir keine Hand geben. Die haben mich angebunden. Ich will hier raus, und du musst mir helfen, hörst du? Du musst mir dabei helfen.«
»Du, Gloria, die bringen dich wieder rauf. Wenn du ein bisschen Geduld hast, dann haut das hin.«
»Nee«, sagte Gloria Frederic, die aus Dänemark stammte. »Nee, mich kriegt keiner mehr rauf. Ich bin ganz down. So weit unten, wie ich bin, Karin, so weit kann keine hinuntersacken. Mit mir ist
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