Lavendel und Blütenstaub
mit ihr nach oben.
Gabriela folgte mit Jonathan als Letzte.
"Danke", sagte Anna, als sie im Schlafzimmer war. "Ich danke euch vom Herzen." Dann schloss sie die Augen und schlief augenblicklich ein.
Anna
"Da bist du wieder."
"Ja, da bin ich wieder."
"Die Kerze ist sehr schön. Danke." Er lächelte.
"Du hast sie gesehen?"
"Aber klar doch." Er lachte. "Warum sollte ich sie nicht gesehen haben? Ich sehe doch alles, was ich will. Ich bin schließlich ein Engel. Hast du vergessen?"
"Nein, ich habe es nicht vergessen. Mein ganzes Leben lang habe ich es nicht vergessen."
Sie war so froh wieder hier zu sein. Es war so still, so friedlich, so leicht. War sterben genauso leicht, wie das Einschlafen und hier im Garten wieder aufzuwachen?
Sie sah sich um. Betrachtete ihr Haus, ihren Garten, ihren Nussbaum und den Bach. Die Wiese, die grün und weit dahinter lag, war so einladend. Sie schien nach ihr zu rufen.
Es drängte sie plötzlich, dorthin zu gehen. Weiter, immer weiter, bis zum Ende des Horizonts, wo die Hügel und Berge lagen. Dorthin, wo die Sonne tiefrot unterging und die Nacht zurückließ. Dorthin, wo die Sterne dann hell funkelnd am Himmel hervorkamen, um den Menschen bei Nacht Trost zu spenden.
"Bleib noch ein wenig hier, Schwesterchen."
"Aber es sieht dort so schön aus." Sie konnte den Blick nicht von der Ferne reißen.
"Ich weiß. Es ist auch schön dort, aber noch sind wir hier."
"Warum? Wieso können wir nicht einfach gehen?"
Sie wusste nicht, warum sie von diesem fernen Ort jenseits des Baches so angezogen wurde, aber sie wusste, dort gehörte sie hin. Das fühlte sie in ihrem Herzen.
"Weil es noch nicht Zeit ist", sagte Justus und hielt sie zurück.
Jonathan
"Kommst du kurz mit rüber? Ich möchte, dass meine Oma dich sieht und sie weiß, dass wir zusammen sind, jetzt, wo es ja eigentlich offiziell ist." Er brach verlegen ab. "Meine Mum sagt, sie weiß nicht, wie lange Oma noch so bei Sinnen ist."
Er stand vor Frau Hubers Haus im Garten. Sybille hielt seine Hand und sah ihn mit ihren grünen Augen an.
"Klar komm ich mit. Ich habe deine Oma eh schon so lang nicht mehr gesehen. Wie geht es ihr eigentlich?"
"Nicht so gut. Seit wir da am Abend bei ihr waren, steht sie gar nicht mehr auf. Der Arzt schaut jetzt auch fast jeden Tag vorbei und gibt ihr irgendein Zeugs."
Jonathan wusste, dass die Tage seiner Oma gezählt waren. Er wusste nur nicht, wie er damit umgehen sollte und fand das alles so bedrückend und auch irgendwie beängstigend. Er traute sich in letzter Zeit nicht einmal, alleine zu ihr ins Schlafzimmer zu gehen, vor lauter Angst, dass sie genau in diesem Moment, wo er mit ihr alleine war, stirbt. Er würde wohl Panik bekommen und durchdrehen, dessen war er sich sicher.
Hand in Hand gingen er und Sybille rüber zum Haus. Er öffnete die Tür und sie traten ein. Es war wie immer dunkel im Flur.
Leise zogen sie die Schuhe aus und gingen nach oben.
Im Schlafzimmer saß Stella an Annas Seite.
Anna war wach und blickte zu Jonathan und Sybille.
"Hy Oma. Alles klar?"
Anna nickte und rang sich ein Lächeln ab. "Wen hast du da mitgebracht?"
Sybille trat nun hinter Jonathan hervor und ging auf Annas Bett zu. "Ich bin's, Sybille. Wie geht es Ihnen, Frau Lukas?" Sie reichte Anna die Hand. Mitfühlend sah sie sie an.
"Sybille." In Annas Augen blitzte es freudig. "Schön dich zu sehen." Sie lächelte.
Stella stand auf. "Ich geh nach unten", sagte sie leise zu Jonathan und drückte aufmunternd beim Vorbeigehen seine Schulter.
Jonathan nickte und wandte sich wieder Anna zu. Sybille hatte sich neben dem Bett auf einen Stuhl gesetzt.
"Sybille." Wieder lächelte sie, wenn auch erschöpft. "Willst du dich wirklich zu einer alten, sterbenden Frau setzen, wo du noch so jung und gesund bist?"
"Aber Frau Lukas!" Sybille war ein wenig erstaunt über so viel Offenheit. "Ich hab mich schon so gefreut, Sie mal wiederzusehen! Jonathan hat mir so viel von Ihnen erzählt."
"Ach, sag doch Anna zu mir. Jetzt, wo ihr zwei euch so mögt." Sie sah zu Jonathan, dann zurück zu Sybille. Sie sah zufrieden aus.
Jonathan war beeindruckt von Sybilles Mitgefühl und Einfühlungsvermögen. Er hätte nicht gedacht, dass es ihr nichts ausmachen würde, eine sterbenskranke Frau zu besuchen.
Es war still im Raum Die zwei Flammen der Kerze flackerten noch immer sanft neben dem Bett. Sie war schon ein wenig kleiner geworden. Tageslicht schien beim Fenster herein auf die vielen Pflanzen. Ein
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