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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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saß daneben und sprach leise mit ihr.
    Der Hausarzt war da gewesen und hatte Anna untersucht.
    "Es wird schlechter", hatte Stella zu ihnen gesagt, als sie ins Haus gekommen waren. "Er verschreibt ihr Sauerstoff, damit die Sättigung wieder rauf geht und sie nicht immer so müde ist", hatte sie noch leise erklärt, bevor sie in die Küche gegangen waren.
    Gabriela war etwas erschrocken, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen.
    "Hallo Anna", sagte sie und versuchte entspannt zu klingen. "Wie geht es dir? Gut siehst du aus." Es war ein schwacher Versuch, die Situation zu lockern.
    Anna winkte mit ihrer dünnen Hand ab. "Ach, lass das. Ich weiß, dass ich furchtbar aussehe."
    Erwin beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Hallo Mutter. Was sagt Dr. Schreiber?"
    "Mein Herz schlägt noch. Das reicht wohl fürs Erste."
    Sie klang resigniert. Gabriela empfand die Stimmung in der Küche erdrückend, fast endgültig.
    Aurelia und Jonathan kamen zur Tür herein. Sie waren nebenan im Wohnzimmer gewesen.
    "Hy Leute!" Jonathan grinste unbeholfen in die Runde, steckte seine Hände in die Hosentasche und setzte sich.
    "Hallo Mama", sagte Aurelia und drückte kurz Gabriela. "Schön, dass du gekommen bist", fügte sie leise hinzu.
    "Wo sind die Kinder?", fragte Gabriela und sah sich um.
    "Ich habe sie bei Christopher gelassen."
    Gabriela nickte verstehend. "Ist wohl besser so."
    Sie sah auf Anna. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit.
    Nun, wo alle in der Küche waren, wurde es ganz ruhig.
    Anna begann mit etwas zittriger, leiser Stimme zu sprechen. "Ihr habt euch sicher gefragt, warum ich euch alle hier haben möchte. Danke Aurelia, dass du mir geholfen hast." Sie klopfte leicht auf Aurelias Hand, die am Tisch lag, und fuhr fort: "Ich habe nicht mehr viel Zeit. Das fühle ich. Ich weiß nicht, wie oft ich noch die Kraft habe aufzustehen. Es wird immer anstrengender und mir schwinden die Kräfte." Sie atmete tief ein und aus. "Der Arzt hat gemeint, er würde alles tun, damit ich keine Schmerzen habe. Und mit dem Sauerstoffzeugs, das er mir bringt", sie wedelte unbeholfen mit der Hand in der Luft, "wird es mir auch ein bisschen leichter gehen."
    In der Küche war es mucksmäuschenstill. Alle Augen waren betroffen auf Anna gerichtet. Erni saß neben ihr und streichelte sanft ihre Schulter.
    Sie fuhr fort: "Ich wollte euch sagen, dass ich unendlich froh bin, dass ihr alle so toll zusammenhelft und es mir ermöglicht, dass ich zu Hause sein darf. Ich weiß das sehr zu schätzen."
    Sie blickte in die Runde. Jeden einzelnen sah sie bewusst an, auch Gabriela, der immer mulmiger zumute wurde.
    Hätte sie in den letzten Wochen vielleicht doch mit Erwin mitkommen sollen? War das jetzt ein indirekter Vorwurf? Sie fühlte sich irgendwie ausgeschlossen, nicht zugehörig. Unsicher nahm sie unterm Tisch die Hand von Erwin.
    Er sah sie an und drückte fest ihre Hand. Ich bin bei dir, schien der Blick zu sagen.
    "Der eigentliche Grund, warum ich wollte, dass ihr alle kommt, hat eigentlich nichts mit mir zu tun. Heute ist ein besonderer Tag, den ich Jahr für Jahr nicht vergessen habe. Jedes Jahr habe ich eine Kerze angezündet, und das, seit ich dreizehn Jahre alt war." Sie brach ab. Kämpfte mit der Stimme und gegen die Tränen, die nicht länger ungeflossen in ihren Augen liegen wollten. "Heute ist Justus' Todestag. Ich möchte, dass wir alle gemeinsam an ihn denken und eine Kerze für ihn anzünden." Wieder brach sie ab, schlug die Hände vor das Gesicht und weinte leise schluchzend.
    Stella setzte sich neben sie und drückte sie fest an sich.
    Jeder schwieg. Fast alle hatten Tränen in den Augen. Nur Jonathan spielte nervös mit dem Tischtuch und mied jeden Blickkontakt.
    "Erwin, holst du bitte die große Kerze, die im Wohnzimmer auf dem Schrank steht?"
    Er stand auf und ging. Wenig später stellte er eine große, schwere, dicke Kerze auf den Tisch, die oben zwei Dochte hatte.
    "Ich denke, jetzt ist Zeit für diese Kerze. Ich habe sie schon seit Jahren, doch noch nie benutzt. Zünden wir eine Seite für Justus an."
    "Und die andere?", fragte Stella leise.
    "Die andere ist für euren Vater."
    Stella und Erwin zündeten schweigend jeweils einen Docht an. Die Flammen leuchteten gelb und blau, flackerten sanft und spendeten Licht. Licht für eine Familie, die Licht in dunklen Tagen brauchen konnte.
    "Und jetzt bringt mich bitte ins Bett. Und nehmt die Kerze mit. Sie soll bei mir bleiben."
    Alle standen auf und gingen

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