Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
er sei der Anführer einer Bande von Kriminellen in Rom gewesen.« Sie hielt inne und runzelte die Stirn. »Was wissen Sie überhaupt über diese ganze Sache?«
»Sie kennen doch das alte Sprichwort: >Für seinen Kammerdiener ist kein Mann ein Held.< Wie es scheint, hat der treue Diener von Carlisle heimlich die verdammenswertesten Geheimnisse seines Herrn aufgeschrieben. Nach dem Tod von Carlisle ...«
»Carlisle ist tot?«
»Ziemlich tot. Wie ich schon sagte, damals hat der Kammerdiener das Tagebuch verkauft, damit er seine Reise zurück nach England bezahlen konnte. Er wurde umgebracht, offensichtlich von einem Straßenräuber, noch ehe er aus Rom heraus war. Offenbar wurde das Tagebuch danach noch zwei Mal verkauft. In beiden Fällen sind die Besitzer tödlichen Unfällen zum Opfer gefallen.« Er deutete mit dem Kopf auf Felix' Leiche. »Und jetzt gibt es einen dritten Toten, der in Verbindung mit diesem verdammten Ding steht.«
Lavinia schluckte. »Du liebe Güte.«
»In der Tat.« Tobias verließ die Tür und ging auf den Schreibtisch zu.
Lavinia beobachtete ihn unsicher. Es lag etwas Eigenartiges in der Art, wie er sich bewegte, dachte sie, ein leichtes, aber doch bemerkbares Humpeln in seinem Gang. Sie hätte schwören können, dass es das noch nicht gegeben hatte, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
»Wie kommt es, dass Sie so viel über dieses Tagebuch wissen?«, fragte sie.
»Ich bin diesem verdammten Ding schon einige Wochen auf der Spur. Über den ganzen Kontinent bin ich ihm gefolgt. Ich bin erst vor einigen Tagen in England angekommen.«
»Warum sind Sie denn so dahinter her?«
Tobias zog eine der Schubladen auf. »Ich vermute, dass es Informationen enthält, die meinem Klienten einige Fragen beantworten könnten.«
»Was für Fragen sind das denn?«
»Fragen nach Hochverrat und Mord.«
»Hochverrat?«
»Während des Krieges.« Er öffnete noch eine zweite Schublade und suchte in den Papieren. »Wir haben jetzt wirklich nicht die Zeit, uns Einzelheiten zu widmen. Ich werde Ihnen das später erklären.«
»Behaupten Sie etwa, dass Sie in Rom versagt haben, Mr March? Nach allem, was Sie uns in dieser schrecklichen Nacht angetan haben, haben Sie doch hoffentlich die ganze Sache nicht vermasselt? Was ist eigentlich mit diesem Carlisle passiert? Sie haben behauptet, dass er in unserem Geschäft auftauchen würde, um die Botschaft von seinem Günstling abzuholen.«
»Carlisle kam, nachdem Sie weg waren.«
»Und?«
»Er ist gestolpert und die Treppe hinuntergefallen.«
Sie riss ungläubig die Augen auf. »Er ist gestolpert und gefallen?«
»Solche Unfälle geschehen nun einmal, Mrs. Lake. Eine Treppe kann sehr gefährlich sein.«
»Bah. Ich habe es gewusst. Sie haben die Sache vermasselt, nachdem Emeline und ich in dieser Nacht abgereist sind, nicht wahr?«
»Es hat einige Komplikationen gegeben.«
»Das ist offensichtlich.« Aus irgendeinem Grund, trotz dieser entsetzlichen Situation, in der sie sich im Augenblick
befanden, fühlte sie eine perverse Schadenfreude dabei, ihn für die ganze Sache verantwortlich zu machen. »Ich hätte die Wahrheit ahnen müssen, gleich nachdem ich den ersten Erpresserbrief von Holton Felix bekommen habe. Immerhin waren die Dinge bis zu diesem Augenblick ganz glatt verlaufen. Ich hätte wissen müssen, dass Sie dafür verantwortlich sind, wenn es Probleme gibt.«
»Verdammt, Mrs. Lake, jetzt ist nicht die Zeit, mir eine Strafpredigt zu halten. Sie haben ja keine Ahnung, worum es eigentlich geht.«
»Geben Sie es zu, Sir. Dieses Problem mit dem Tagebuch des Kammerdieners ist ganz allein Ihr Fehler. Wenn Sie die Situation in Rom anständig geregelt hätten, dann wären wir beide heute Abend nicht hier.«
Er wurde ganz still. In dem unheimlichen Licht des Feuers sahen seine Augen gefährlich aus. »Ich versichere Ihnen, die Schlange, die diese Bande von Vipern in Italien kontrolliert hat, ist tot. Leider war das jedoch nicht das Ende der Angelegenheit. Mein Klient wünscht, dass die ganze Sache abgeschlossen wird. Er hat mich angestellt, um dafür zu sorgen, und das werde ich auch tun.«
Sie erstarrte. »Verstehe.«
»Carlisle war eine Zeit lang Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die als Blue Chamber bekannt ist. Die Bande hatte ihre Fühler in ganz England und Europa ausgestreckt. Viele Jahre lang wurde diese Organisation von einem Mann geleitet, der sich Azure nannte.«
Lavinias Hals wurde ganz trocken. Aus einem unerklärlichen Grund
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