Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
Kleid. Als Kundin von Madame Francesca hatten Sie die Gelegenheit, den Entwurf zu betrachten. Sie haben die endgültige Version des Kleides allerdings nie gesehen, weil Sie auf den Verlobungsball nicht eingeladen waren. Wenn Sie sie gesehen hätten, dann wüssten Sie, dass am Saum nur zwei Reihen Rosen waren und nicht drei.«
»Das interessiert mich nicht länger. Sie ist eine Schlampe, nicht besser als all seine anderen Frauen. Auch sie wird sterben.«
Constance trat einen Schritt näher.
Lavinia hielt den Atem an, doch sie bewegte noch immer den Anhänger hin und her, änderte den Rhythmus seiner Schwünge nicht.
»Sie haben es auch eingerichtet, dass Fielding Dove vergiftet wurde, nicht wahr?«, fragte sie mit sanfter, beruhigender Stimme.
Constance blickte auf den Anhänger, dann sah sie wieder weg. Als könne sie nicht anders, sah sie wieder hin und folgte den Bewegungen mit ihrem Blick. »Ich habe alles geplant, jede Einzelheit. Ich habe es für Wesley getan, müssen Sie wissen. Alles habe ich für ihn getan. Er brauchte mich.«
»Aber er hat nie wirklich Ihre Klugheit und Ihre unverbrüchliche Treue zu schätzen gewusst, nicht wahr? Er hat sie als selbstverständlich hingenommen. Er hat Sie wegen Ihres Geldes geheiratet und ist dann wieder zu seinen anderen Frauen gegangen.«
»Die Frauen, die er als Gefäße für seine Lust benutzt hat, waren nicht wichtig. Was wichtig war, ist, dass Wesley mich gebraucht hat. Er hat das verstanden. Wir waren Partner.«
Lavinia zuckte zusammen und hätte beinahe den Rhythmus ihres schwingenden Anhängers verändert. Konzentriere dich, du Dummkopf. Dein Leben hängt davon ab. »Ich verstehe.« Der Anhänger fuhr fort, in sanftem Bogen zu schwingen. »Partner. Aber Sie waren der kluge Teil.«
»Ja. Ja. Ich bin diejenige, die begriffen hat, dass Fielding Dove Nachforschungen über Wesleys Aktivitäten während des Krieges anstellte. Ich habe gesehen, dass Dove alt und schwach wurde. Ich wusste, dass es Zeit war zu handeln. Als Dove erst einmal tot war, stand Wesley nichts mehr im Weg.
Nur noch ein paar Dinge, die erledigt werden mussten. Ich habe immer solche Dinge für ihn erledigt.«
»Wie viele seiner Geliebten haben Sie denn umgebracht?«
»Vor zwei Jahren habe ich endlich begriffen, dass es nötig war, diese billigen Huren umzubringen.« Constance starrte auf den sich bewegenden Anhänger. »Ich habe angefangen, sie ausfindig zu machen. Es war nicht einfach. Bis jetzt habe ich mich um fünf von ihnen gekümmert.«
»Sie haben diese Wachsarbeiten in Huggetts Ausstellung geschaffen, um Ihre Fähigkeiten als Mörderin zu verherrlichen, nicht wahr?«
»Ich musste der Welt die Wahrheit über diese Frauen zeigen. Ich habe mein Talent benutzt, um zu demonstrieren, dass es am Ende nur Schmerz und Qual für die Frauen gibt, die zu Huren werden. Es gibt keine Leidenschaft, keine Poesie, keine Freude für sie. Nur Schmerz.«
»Aber die letzte ist Ihnen entkommen, nicht wahr?«, fragte Lavinia. »Wie ist das denn passiert? Haben Sie einen Fehler gemacht?«
»Ich habe keinen Fehler gemacht«, schrie Constance. »Irgend so eine blöde Putzfrau hat einen Eimer mit Seifenwasser in der Nähe der Tür stehen gelassen. Ich bin gestolpert und gefallen, und die Hure ist mir entkommen. Aber früher oder später werde ich sie schon erwischen.«
»Wer ist denn das Modell für den Mann in Ihren Skulpturen, Constance?«, fragte Lavinia ruhig.
Constance sah verwirrt aus. »Der Mann?«
Lavinia schwang den Anhänger hin und her. »Das Gesicht des Mannes in all den Ausstellungsstücken ist das gleiche. Wer ist er, Constance?«
»Papa.« Constance schlug mit dem Feuerhaken nach dem Anhänger, als wolle sie ihn aus der Luft schlagen. »Papa ist der Mann, der den Huren so viel Schmerzen bereitet.« Sie schlug noch einmal mit der Spitze des Feuerhakens nach dem Anhänger. »Er hat mir Schmerzen bereitet. Verstehen Sie? Er hat mir so viel Schmerzen bereitet.«
Zwei Mal musste Lavinia dem Feuerhaken ausweichen. Dies lief alles nicht sehr gut. Es gelang ihr, den Anhänger in Bewegung zu halten, aber sie wusste, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln. »Die Dinge gingen gut, bis Holton Felix das Tagebuch in die Hand bekam und damit begann, seine kleinen Erpresserbriefe zu verschicken«, sagte sie.
»Felix hat aus dem Tagebuch erfahren, dass Wesley Mitglied des Blue Chamber war.« Constance war jetzt ruhiger. Ihre Augen folgten dem Anhänger. »Ich musste ihn umbringen. Das war
Weitere Kostenlose Bücher