Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
ihn besucht.«
»Der Mörder?«
»Jawohl.«
Wieder gab es ein kurzes, angespanntes Schweigen, während Joan die Neuigkeit zu verdauen schien.
»Wie abenteuerlustig von Ihnen, Mrs. Lake.«
»Ich hatte das Gefühl, mir bliebe keine andere Wahl, als irgendetwas zu tun.«
»Nun ja«, meinte Joan schließlich. »Wie es scheint, hat Ihr Problem sich gelöst. Ihr Erpresser ist tot.«
»Ganz im Gegenteil, Mrs. Dove.« Lavinia lächelte kühl. »Die Angelegenheit ist noch viel komplizierter geworden. Sehen Sie, das Tagebuch, das ich zu finden gehofft hatte, war nicht in Felix' Wohnung. Ich muss daraus schließen, dass der Mörder es jetzt in seinem Besitz oder«, Lavinia hielt einen Augenblick inne, »in ihrem Besitz hat, wie die Dinge stehen.«
Joan war ganz und gar nicht dumm, stellte Lavinia fest. Sie hatte sofort begriffen, was Lavinia damit sagen wollte. Das schien sie zu belustigen.
»Sie glauben doch sicher nicht, dass ich diejenige bin, die Mr Felix umgebracht und das Tagebuch an sich genommen hat«, fragte Joan.
»Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie diejenige waren. Es würde die Dinge so viel einfacher und klarer machen.«
Ein eigenartiges Licht blitzte in Joans Augen auf. »Sie sind wirklich eine außergewöhnliche Frau, Mrs. Lake. Dieser Beruf, den Sie eben erwähnten, hat der vielleicht etwas damit zu tun, dass Sie auf den Brettern in der Drury Lane oder im Covent Garden stehen?«
»Nein, Mrs. Dove, ganz und gar nicht, obwohl es sich manchmal als notwendig herausstellt, dass ich ein wenig schauspielern muss.«
»Ich verstehe. Nun, es war wirklich sehr unterhaltsam, aber ich versichere Ihnen, dass ich keine Ahnung von Mord und Erpressung habe.« Joan sah demonstrativ auf ihre Uhr. »Du liebe Güte, es ist wirklich schon spät, nicht wahr? Ich fürchte, ich muss Sie jetzt bitten, zu gehen. Ich habe heute Nachmittag einen Termin bei meiner Schneiderin.«
Das lief gar nicht gut. Lavinia beugte sich ein wenig vor.
» Mrs. Dove, wenn Sie von Holton Felix erpresst wurden und wenn Sie nicht diejenige sind, die ihn umgebracht hat, dann befinden Sie sich jetzt in einer ein wenig gefährlichen Lage. Ich kann Ihnen vielleicht helfen.«
Joan sah sie mit höflicher Verwirrung an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Person, die Holton Felix umgebracht und das Tagebuch gestohlen hat, versucht, jetzt selbst als Erpresser tätig zu werden.«
»Sie erwarten neue Drohungen?«
»Selbst wenn es keine Erpresserbriefe geben sollte, so bleibt doch die Tatsache, dass irgendjemand dort draußen dieses verflixte Tagebuch hat. Ich finde, das ist ein sehr beunruhigender Gedanke, meinen Sie nicht auch?«
Joan blinzelte, doch sie zeigte nicht, dass das Bild, das Lavinia vor ihren Augen erstehen ließ, sie alarmierte. »Ich will Sie ja nicht beleidigen, Mrs. Lake, aber Sie klingen langsam so, als seien Sie ein Kandidat für das Irrenhaus.«
Lavinia presste die Hände fest zusammen. »Holton Felix muss etwas über Sie gewusst haben, Madam. Es gibt keinen anderen Grund, warum er Ihre Adresse in einem wirklich abscheulichen Roman versteckt haben sollte, der von einer Orgie mit einer unschuldigen jungen Frau handelt.«
Wut blitzte auf Joans Gesicht auf. »Wie können Sie es wagen anzudeuten, dass ich mit einem solchen Menschen bekannt sein könnte. Bitte gehen Sie sofort, Mrs. Lake, denn sonst werde ich einen der Lakaien rufen, der Sie aus dem Haus wirft.«
» Mrs. Dove, bitte hören Sie mir doch zu. Wenn Sie eines der Erpressungsopfer von Holton Felix sind, dann könnten Sie vielleicht Informationen besitzen, die zusammen mit dem, was ich bereits über die Angelegenheit weiß, mich in die Lage versetzen könnten, die Identität desjenigen herauszufinden, der das Tagebuch im Augenblick besitzt. Sicher sind Sie doch genauso sehr daran interessiert wie ich, es zu finden, Madam.«
»Sie haben genug meiner Zeit verschwendet.«
»Für eine kleine Gebühr, die reicht, um mich für meine Zeit und meine Ausgaben zu entschädigen, wenn Sie mich richtig verstehen, werde ich gern Nachforschungen in dieser Angelegenheit anstellen.«
»Genug. Sie sind ganz sicher eine Verrückte.« Joans Augen blickten so hart wie Edelsteine. »Ich muss darauf bestehen, dass Sie gehen, oder ich werde Sie auf die Straße werfen lassen.«
So weit war sie also mit ihrer direkten Konfrontation gekommen, überlegte Lavinia. Es war nicht immer einfach, in ihrem neuen Beruf Klienten zu finden.
Mit
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