LaVyrle Spencer
Catherine. Aber es ist zwecklos. Deine Mutter hat vor Jahren ihre Wahl
getroffen, und jetzt muß sie eben mit ihren Problemen fertig werden.«
»Er wird wieder einen seiner
Wutanfälle kriegen, wenn er merkt, daß ich gegangen bin. Und sie wird es büßen
müssen.« Catherine starrte trübsinnig aus dem Fenster.
»Denk nicht daran. Sei froh, daß du
aus dem Haus bist. Wenn du nicht schwanger geworden wärst, wärst du ewig
geblieben, um sie zu beschützen. Außerdem kommt
meine Mutter heute abend vorbei, damit sie nicht
mit ihm allein ist. Du bist jetzt draußen, und das ist das einzig Wichtige.«
Sie warf ihrer Cousine einen verschmitzten Blick aus ihren braunen Augen zu und
sagte grinsend: »Weißt du, allein deshalb kann ich Clay Forrester nicht allzu böse
sein.«
»Bobbi!« entfuhr es Catherine nicht
ohne einen gewissen Humor in der Stimme. »Du hast versprochen, Clay nicht zu
verraten, wo ich mich aufhalte. Vergiß das nicht!«
»Mach dir keine Sorgen, von mir wird
er es nicht erfahren. Die Hälfte aller Mädchen an der Uni würde die Situation
ausnutzen, aber dazu bist du ja zu stolz!«
»Ich habe meinen Entschluß gefaßt.
Es wird mir schon gutgehen.« Wieder starrte Catherine betrübt aus dem Fenster.
»Aber kannst du denn nicht einsehen,
daß ich mich für das, was geschehen ist, verantwortlich fühle?« sagte Bobbi und
berührte den Arm ihrer Cousine. Sie sahen sich an.
»Das bist
du aber nicht, Bobbi, sondern ich ganz allein.« Diesen Punkt hatten die beiden
schon oft diskutiert. Und Bobbi war dann jedesmal niedergedrückt. Sie sagte
ruhig: »Er wird mich fragen, weißt du.«
»Du brauchst nur zu lügen und sagen,
du weißt nicht, wo ich bin.«
»Das
gefällt mir nicht.«
»Mir
gefällt es auch nicht, Mutter mit ihm allein zu lassen. Aber so ist das Leben,
wie du ja so gern behauptest.«
»Das solltest du dir immer vor Augen halten,
wenn du versucht bist nachzugeben und mit ihr Verbindung aufnehmen möchtest.«
»Ja. Diese Tatsache stört mich am
meisten – daß sie glaubt, ich würde irgendwo umherirren. Sie wird sicher ganz
krank vor Sorge.«
»Vielleicht am Anfang, aber die
Postkarten werden sie beruhigen, und außerdem wird dein Vater nicht an der Uni
nachforschen. Er wird niemals vermuten, daß du dich noch in der Stadt aufhältst.
Wenn das Kind geboren ist, kannst du deine Mutter wiedersehen.«
Catherine sah ihre Cousine flehend
an. »Du besuchst sie doch und berichtest mir, ob es ihr gutgeht, nicht wahr?«
»Das habe ich dir doch versprochen.
Vielleicht nimmt sie sich an dir sogar ein Beispiel und packt ebenfalls ihre
Sachen und verläßt ihn.«
»Das glaube ich nicht. Irgend etwas
veranlaßt sie zum Bleiben. Etwas, das ich nicht verstehe.«
»Kümmere dich nicht um die Probleme
der anderen, Catherine. Du hast genug eigene.«
Schon beim ersten Anblick von Horizons hatte
Catherine den Frieden gespürt, den das Haus ausstrahlte. Es war eines dieser
scheußlichen Bauwerke, die um die Jahrhundertwende so beliebt gewesen waren –
verwinkelt, voller Erker und Türmchen und für eine Familie viel zu groß. Der
erste Frost Ende September hatte die Blumen in den Kästen vor den Fenstern
zerstört, und von den Ahornbäumen, die den Boulevard vor dem Haus säumten,
fielen die Blätter. Man betrat eine große Halle, an die sich ein Wohnzimmer
anschloß. Links führte eine Treppe in die beiden oberen Stockwerke. Das handgeschmiedete
Geländer zeugte von einer prächtigeren Vergangenheit. Doch Wohnraum und auch
Eßzimmer wirkten freundlich; durch bleigefaßte bunte Scheiben strömte farbiges
Licht, und durch irgendwelche Umstände waren die alten Stuckdecken und
Wandverkleidungen erhalten geblieben. Beide Räume waren mit einem Sammelsurium
nicht zueinander passender Möbelstücke ausgestattet, die der Gemütlichkeit
aber keinen Abbruch taten. Catherine und Bobbi standen in der Halle und
beobachteten drei Mädchen beim Aufräumen und Putzen. Eine sortierte kniend
einen Stapel Zeitschriften, die zweite wischte Staub, und die dritte schob
einen Staubsauger vor sich her.
Durch den Bogen, der ins Eßzimmer führte,
konnten sie ein Mädchen sehen, das dort Ordnung machte. Sie wirkte noch sehr
jung, vielleicht dreizehn, und war hochschwanger.
Als sie die beiden Cousinen
entdeckte, strahlte sie und rief: »He, ihr da, macht den Staubsauger aus. Wir
haben Gesellschaft bekommen!«
Der Staubsauger wurde ausgeschaltet.
Und alle vier gingen auf die Neuankömmlinge zu.
»Hallo, ich bin Marie. Wollt
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