Lazyboy
die altbekannten Gründe, für die ich mich nicht verantwortlich fühle.
Der das Haus umgebende Garten ist ein verkappter Golfplatz, eine stattliche Anlage mit englischem Rasen, diversen Rhododendrenarrangements und mehreren Garagen. Innen öffnet sich ein Museum des Bildungsbürgertums. Da gibt es geschmackvolle Antiquitäten und im Flur einen Wandteppich, an den mit Stecknadeln Zeitungsausschnitte gepinnt sind, die über sämtliche relevanten Kulturereignisse der Stadt Auskunft geben, als Mitglied der Familie arbeitet man sie sukzessive ab. Etwas misstrauisch hat mich von Anfang an gemacht, dass die Jalousien auf der Vorderseite des Hauses sämtlich dauerhaft dreiviertel heruntergelassen sind. Von außen erhält man dadurch den Eindruck, das Haus stehe permanent unter Valium, es sei verpennt, befinde sich in konstantem Halbschlaf, die Fenster die Augen des Hauses. Drinnen lebt man ein Dämmerleben. Das habe etwas mit den Nachbarn zu tun, erklärte mir Monika, aber ich glaube, es verdeutlicht die Denkmuster der Bewohner.
Bei dieser Fahrt hielt Monika plötzlich auf einem Streckenabschnitt, auf dem sich die Stadt schon ländlich gibt, auf der einen Seite der Hauptstraße ein Waldgebiet, auf der anderen Seite eine Pferdekoppel. Sie fuhr rechts heran, ließ ihren Mini quer über einem asphaltierten Fahrradweg anhalten, zog sogar den Schlüssel aus der Zündung.
»So«, sagte sie.
»Ja?«, fragte ich.
»Bevor wir da sind, möchte ich gerne einmal etwas mit dir klären.«
»Okay«, sagte ich voll schlimmer Vorahnungen, es war deutlich, dass jetzt das strenge Erbe ihrer Mutter zum Vorschein kommen würde.
»So geht es mit uns nicht weiter«, sagte sie völlig aus dem Zusammenhang gerissen. »Jetzt muss bald mal der nächste Schritt kommen. Irgendwie muss ich einmal das Gefühl bekommen, dass es voran, dass es nach vorne geht. Jede Beziehung braucht ein Ziel, braucht ein Projekt, auf das sie sich zubewegt.«
»Ja?«, fragte ich, denn der Gedanke war mir völlig neu. Für mich war Beziehung ein Zustand, ein angenehmer Zustand zumeist, den man sich nach Feierabend überstreift wie einen flauschigen Pullover, wenn es kühl wird.
»Und unser Projekt wäre?«, fragte ich mit verzagender Stimme, wobei mir völlig klar hätte sein sollen und vermutlich war, unterbewusst, worauf das Gespräch hinauslief. Ich meine, welche Projekte für Mann und Frau kommen denn im Großen und Ganzen in Frage? Sie wollte wohl kaum gemeinsam mit mir am Horn von Afrika mit Spendengeldern ein Lazarett für an Lepra erkrankte Kinder aufbauen.
»Wir sind jetzt sechs Jahre zusammen.« Sie schob sich mit energischer Geste, eine Geste, als trüge sie Autofahrhandschuhe, die Haare über das linke Ohr. »Aber wir leben getrennt in zwei Wohnungen, was nicht besonders ökonomisch und auch darüber hinaus nicht besonders schön ist. Alle meine Freundinnen, die in langjährigen Partnerschaften leben, wohnen schon seit geraumer Zeit gemeinsam, und es hat ihnen meines Wissens nicht geschadet. Auch den Männern nicht wirklich, diese haben meines Wissens durchaus von dieser Veränderung profitiert. Wir leben in einer Form ungezwungener Freundschaft, als wären wir zwei Teenager, nur dass wir als Teenagerpaar wesentlich mehr Sex hätten. Wir leben wie ein altes Ehepaar, ohne die wesentlichen Vorteile der Ehe jemals in Erwägung gezogen zu haben. Denn, wenn es auch nur im Entferntesten um diese Themen gehen könnte zwischen uns, Zusammenziehen, Heiraten, Kinder bekommen, überzieht sich dein Gesicht augenblicklich mit diesem unglaublich qualvollen, fast panischen Gesichtsausruck, den ich ehrlich gesagt nicht besonders schmeichelhaft für mich finde, und im nächsten Augenblick bist du immer irgendwie verschwunden.«
»Das finde ich nicht besonders fair«, sagte ich, »wie du das darstellst, einseitig finde ich das, nicht ausgewogen.«
Ich merkte, wie sich bei diesen Worten mein Gesicht augenblicklich mit einem qualvollen, fast panischen Gesichtsausdruck überzog.
»Schon klar. Pass auf, ich will auch gar nicht lange darüber diskutieren, ich habe mir ganz einfach Folgendes überlegt, du kannst es akzeptieren oder eben nicht.«
»Okay?« Ich traute mich nicht, sie anzusehen, zu viel Schärfe in der Stimme. Ich schaute lieber das Pferd an, das an das Gatter getrabt gekommen war, um zu uns ins Auto zu schauen, solche Attraktionen gab sein Leben an der Hauptstraße normalerweise nicht her. Ein dunkelbraunes, fast schon schwärzlich schimmerndes Pferd mit
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