Lazyboy
der Kopf wird schwer und brennt, die Gelenke fühlen sich geschwollen an, die Hände und Füße wie ums Doppelte angewachsen, schwere Fleischstücke. Nach und nach machen die letzten Beeker schlapp, blinzeln bedauernd vor sich hin und versuchen sich in resignierenden Gesten, dann machen sie sich seufzend auf in Richtung Heimat. Nach einem langen, scheinbar ewig dahingezogenen Tag, sind am Ende noch Daniela, der Lehrer und ich übrig. Auch uns ist die Überanstrengung ins Gesicht geschrieben. Daniela hält durch, nehme ich an, weil sie sich die Blöße nicht geben will, vor uns zu versagen, weil sie mir etwas beweisen will und weil sie zusammen sein möchte mit mir, ganz einfach, weil sie es bis zum Ende gemeinsam mit mir erleben will. Uns beiden ist klar, dass es nach diesem keinen gemeinsamen Weg mehr geben wird. Der Lehrer hält durch, weil er die Erfahrung schon einmal gemacht hat, an eine Grenze zu gelangen, er kann diese Erfahrung abrufen, er glaubt an diese Grenze, und deshalb trotzt sein Wille der Abnutzung. Und ich kämpfe mich voran, obwohl ich es in mir wühlen fühle, weil ich davon überzeugt bin, dass es irrational ist, dass diese Landschaft nicht wirklich einen körperlichen Effekt hat, dass es um Suggestionen geht, um Einbildung, der ich bloß standzuhalten habe. Dass das alles nicht wirklich ist, nicht wirklich sein kann.
Die Landschaft bleibt dabei die ewig selbe, vollkommen gleichgültig lässt sie uns abblitzen, noch nicht einmal einen Wind schickt sie uns als Reaktion auf unser Eindringen, keinen Lebenshauch.
Irgendwann ist es Daniela, die schwer atmend stehen bleibt und darauf wartet, dass wir uns nach ihr umdrehen. Zitternd steht sie da, sehr klein in dieser ungeheuren Landschaft. Tränen laufen ihre Wangen hinunter. Sie hält sich an ihren Seilen fest, der Brustkorb hebt und senkt sich heftig. Sie keucht, sie sagt: »Jetzt bin ich es, ich muss euch im Stich lassen, ich schaffe es nicht mehr.«
Der Lehrer und ich nicken stumm, zu wenig Kraft, um noch groß zu sprechen. Sie nimmt ihre verbliebenen Seile ab und legt sie vor sich ins Gras.
Sie sagt: »Wir sehen uns in Beek.« Sie sagt es ohne Blick.
Dann dreht sie sich um und geht und lässt mich und den Lehrer alleine.
Ihr Schluchzen ist noch eine ganze Weile zu vernehmen.
Es wird wieder Nacht und es wird wieder Tag, wir bauen das Zelt auf und ab, wir rollen Seile ab und verknoten sie. Zwischendurch krieche ich eine Weile auf Händen und Knien, ich weiß nicht, wie lange, es wird Nacht, und ich begrüße den nächsten Tag auf den Knien. Mal ist der Lehrer fort, weit vor mir, dann wieder geht er neben mir und redet, wobei ich keine Ahnung habe, wovon er erzählt. Dann wieder muss ich ihn lange suchen, bis ich ihn wiederfinde, ich setze mich derweil in den Bach, ins Wasser, und warte, und irgendwann kommt er angestolpert, langsam wie eine Schnecke mit wunder Sohle. Dann sehen wir uns an und lachen.
»Wir geben nicht auf«, lache ich.
»Nein, niemals«, lacht der Lehrer, aber plötzlich wird er ernst, als habe er irgendetwas vernommen, oder als würde er sich an irgendetwas Wesentliches erinnern. Dann fehlt etwas Zeit, und ich komme zu mir und lehne am Lehrer, und ich rüttele an ihm und zerre ihn auf und vorwärts, immer dem kleinen Fünkchen Willen nach, das da irgendwo im Großen Dunkel in mir, vor mir, vor sich hin glimmt. Dann wieder zieht mich der Lehrer am Arm, und wenn mich nicht alles täuscht, ist es so, dass ich im Staub liege und er mich zwischen Gräsern und Disteln durch die Einöde schleift.
»Was ist, wenn es einfach keine Grenze gibt?«, sage ich am Abend zum Lehrer, als wir dasitzen, die nutzlosen Köpfe in die Hände gestemmt. Wir blicken mit müden Augen zum Wasserlauf hinüber, der nur noch ein schmales Rinnsal darstellt. »Wenn es für immer dauert? Hat es überhaupt schon jemals etwas anderes gegeben?«
In irgendeinem dummen Moment klingelt mein Mobiltelefon.
Ich brauche ziemlich lange, mein träger Kopf zuckt, bis ich das Geräusch irgendwie eingeordnet und das Gerät ungeschickt aus meiner Hosentasche genestelt habe. Ich hatte vollkommen vergessen, dass es so etwas gibt: Handys. Ich staune es an, drei Balken Empfang. Ich hoffe auf einen Anruf Daphnes, kurzer Report von der Gegenexpedition, aber auf dem Display steht Mirko .
»Mirko?«, keuche ich.
»Lazyboy, was ist los?«, sagt er mit vergnügter Stimme. »Bist du ohne mich joggen, oder was?«
»So ähnlich«, keuche ich.
»Was geht?«
»Ich kann jetzt
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