Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
Tour. Und am Besten um Mitternacht. Bei Mondschein. Mit mir…«
Ich beschloss, nicht weiter hinzuhören.
Am nächsten Dienstag schien wieder die Sonne, als wir zum Reitstall fuhren, aber diesmal waren die grünen Wiesen vor dem Stall nicht gänzlich verwaist. Auf der Weide neben dem Parkplatz hielten sich drei Mädchen auf. An ihrer Hand grasten drei der Riesenviecher, eins davon die giftige Allegra, die Gras offensichtlich noch lieber mochte als Menschenfleisch. Jedenfalls machte sie diesmal keine Anstalten, jemanden zu beißen. Das Mädchen am anderen Ende ihrer Führleine, meine Klassenkameradin Nele, hielt die Augen gebannt auf den Rasenplatz nebenan gerichtet. Darauf waren bunte Hindernisse aufgebaut, die mir alle hoch wie Häuser schienen. Und darüber setzte ein Schimmel wie aus dem Märchenbuch – geritten von einem leibhaftigen Prinzen!
Im Ernst, ich übertreibe nicht, der Junge, der auf diesem Pferd saß, war so was wie Nico Chico in sportlich – womit ich natürlich nicht sagen will, dass er noch besser aussah als mein Traumboy. Aber er war deutlich größer und hatte mehr Muskeln. Nico Chico dagegen war in natura eher kleiner als im Fernsehen, ich war fast etwas enttäuscht gewesen. Dazu war Nico blass, der Junge auf dem Pferd dagegen braungebrannt. Unter seiner Reitkappe kringelten sich dunkelbraune Locken hervor, kürzer als bei Nico Chico, aber trotzdem verwegen. Und der Typ flog mit dem Schimmel über die Sprünge, ging bei den Bewegungen des Pferdes geschmeidig mit und saß dabei doch wie festgeklebt. Bis letzte Woche hätte ich das nicht zu schätzen gewusst, aber jetzt blieb mir vor Bewunderung der Mund offen stehen.
Den Mädchen auf der Wiese nebenan ging das offenbar ähnlich, aber im Gegensatz zu mir ignorierte der Prinz sie nicht, sondern stoppte sein Pferd vor ihnen und warf ihnen triumphierende Blicke zu.
»Cool, Heiko!«, flötete denn auch gleich die erste.
»Absolut irre! Wie du den Oxer genommen hast …«
»Und Pulvermanns Grab …«
Wessen Grab? Ich musste unbedingt »Pferdisch« lernen, sonst würde dieser Junge nie ein Wort mit mir wechseln.
Ich versuchte, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, indem ich möglichst sexy über den Parkplatz wandelte. Aber in rosafarbenen Gummistiefeln ist das nicht so einfach, der Gang ähnelt unweigerlich dem einer Ente. Und mit der Frisur konnte ich diesmal auch nicht punkten. Ich hatte meine Haare im Nacken zusammengebunden, aber dafür waren sie eigentlich zu kurz. Ein paar Strähnen stahlen sich jetzt schon heraus, was im Moment vielleicht noch ganz witzig aussah. Nach der Presskur unter der Kappe würde es einfach nur peinlich sein.
Zu allem Unglück parkte Thorstens Daddy seinen Kombi im selben Moment neben dem Springplatz.
Sein Sohn hatte sich diesmal für ein anderes Outfit entschieden. Er steckte in einer Art Gymnastikhöschen, das eigentlich mehr zu einem Balletttänzer passte als zu einem Reiter. Wobei Thorsten mit einem Balletttänzer nicht die geringste Ähnlichkeit hatte. Die Schlabberhose vom letzten Mal hatte gnädig verborgen, dass zu seinem kompakten Oberkörper ziemlich dünne Beine gehörten.
Natürlich hatte sein Daddy nichts Besseres zu tun, als ihm Prinz Heiko als leuchtendes Beispiel vorzuhalten.
»Schau dir das genau an, Thorsten! Das ist es, wo wir hinwollen!«
Thorsten sagte nichts, aber seinem Ausdruck war zu entnehmen, dass er eindeutig ein anderes Ziel vorgezogen hätte.
Sein Vater holte inzwischen zwei nagelneue Reitkappen aus dem Auto. Ebenso wie meine Mom. Wir hatten dazu extra in ein Reitsportgeschäft gehen müssen – auch ich, man muss die Dinger anprobieren. Außerdem waren sie sündhaft teuer.
Heikos dunklen Locken hatte die Reitkappe nichts anhaben können. Sie bauschten sich um sein markantes Gesicht, als er den Helm jetzt abnahm und den Mädchen zugrinste. Sogar Marie und Anna, die gerade aus dem Auto stiegen, bekamen ein Lächeln ab. Mich übersah er. Kein Wunder, schließlich stand ich neben Thorsten.
Die Reitstunde verlief wieder ähnlich wie beim letzten Mal, aber diesmal teilte Frau Witt die Gruppen anders ein. Anscheinend fand sie, dass Hasenfüße und Streber bunter gemischt werden mussten, und so putzte ich diesmal gemeinsam mit Marie den braunen Ronnie, während Thorsten und Anna versuchten, einen gewaltigen Fuchs namens Buffalo zu bändigen. Das Tier mochte nicht ruhig stehen und Thorsten war schon lange vor dem Aufsatteln schweißgebadet. Ich dagegen strengte mich nicht
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