Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
eingeladen hatten. Offensichtlich in Bestechungsabsicht. Und tatsächlich schaffte sie es, diesmal jedem ein Schulpferd zuzuteilen, das keine Mordpläne hegte. In dieser letzten Stunde fiel niemand hinunter. Außer Thorsten, aber das war eine andere Geschichte. Thorsten und sein Daddy erschienen nämlich nicht zum Aufsatteln im Schulpferdestall, obwohl sie auf dem Gelände waren. Ich hatte ihr Auto auf den Hof fahren sehen und Thorsten auch von Weitem zugewinkt. Er hatte ziemlich geknickt gewirkt, aber das tat er vor den Dienstagsstunden eigentlich immer. Trotzdem war ich enttäuscht gewesen. Schließlich sollte die Freude, mich wiederzusehen, doch alles andere überstrahlen! Gestern Nachmittag hatten wir jedenfalls noch Küsschen durchs Telefon getauscht. Und nun kam er nicht mal zu mir hinüber.
Ich sah ihn erst in der Reitstunde und zu meiner Verwunderung führte er ein Privatpferd am Zügel. Heikos Mariano. Thorstens Daddy setzte sich beifallheischend auf die Tribüne. Er sah wohl keine Notwendigkeit mehr, sich selbst aufs Pferd zu schwingen. Dabei wirkte er wie ein zufriedener Kater, der die Maus genau da hat, wo er sie hinhaben wollte.
»Was machst du denn mit Mariano?«, wisperte ich Thorsten zu, als wir die Pferde zum Aufsteigen in der Mitte platzierten. Ich musste mich dazu fast in Lebensgefahr bringen, denn eigentlich hält man mit einem streitlustigen Pferd wie Nougat mehr als »Wisperabstand«. »Sag nicht, ihr habt ihn gekauft!«
Thorsten warf mir einen leidenden Blick zu. »Mein Daddy. Ich hatte fahrlässig erwähnt, dass ich Pferde doch sehr nett fände und weiter Reiten lernen wollte. Tja, und das interpretierte mein Vater dann gleich als ›Ich will demnächst Heiko und Co Konkurrenz machen.‹«
Marie und Anna hatten das mitbekommen und kriegten umgehend erst Stiel-, dann Strahleaugen. Thorsten war auf der Liste ihrer Traumboys soeben auf Platz 2 gerutscht. Gleich hinter Prinz William, aber eindeutig leichter erreichbar.
Ich hielt die Sache dagegen für Wahnsinn. Wenn ich Thorsten ein Pferd aus diesem Reitstall gekauft hätte, dann höchstens Toby.
»Nun guck nicht so!«, fuhr er mich an. »Wolltest du nicht immer einen Prinzen mit Schimmel?«
Ich wollte vor allem einen glücklichen Prinzen. Aber wenn schon, dann hätte ich ihn lieber auf einem Braunen gesehen …
»Konntet ihr nicht stattdessen Joker …« Es rutschte mir einfach raus – damit hatte ich es mir mit Thorsten bestimmt ebenso verscherzt wie am Samstag mit Heiko! Er musste annehmen, dass mir ein Pferd wichtiger war als ein Freund!
Thorsten verzog unglücklich das Gesicht und stellte an seinen Steigbügeln herum. Mariano war nicht so groß wie Joker, aber doch höher als all unsere Schulpferde. Thorsten schien sich nicht ganz entschließen zu können, ihn wirklich zu erklimmen.
»Ich hab’s versucht, Lea, ehrlich«, sagte er dann zu meiner Überraschung. »Ich weiß doch, dass du ganz verrückt nach ihm bist, und dann hättest du wenigstens dein Traumpferd gehabt …«
Mein Herz schlug heftig.
»Du hättest dein Traumpferd gehabt …«
Das klang nach »Was mein ist, ist auch dein«.
Das klang nach »Wir gehören wirklich zusammen«.
Und das klang nach einem Jungen, der nicht eifersüchtig auf Pferde war!
»Aber Joker war schlicht zu teuer. Außerdem redet alles davon, wie daneben er ist. Und mein Daddy möchte doch, dass ich möglichst nächste Woche schon das erste Springen gewinne. Tut mir leid, Lea.«
Thorsten stieg endlich auf, genau wie wir anderen.
Frau Witt setzte ihn gleich an die Tête. Überhaupt überschlug sie sich heute geradezu mit Anweisungen für Thorsten. Der neue Lieblingsschüler. Aufstieg in der Rangordnung auf Platz eins.
Trotzdem fiel Thorsten in dieser Stunde zweimal hinunter. Einmal beim Angaloppieren, als er die Hilfenicht gleich richtig gab und Mariano in Stechtrab verfiel. Seine riesigen Bewegungen waren zu viel für meinen ungeschickten Prinzen. Das zweite Mal landete er beim »Springen« im Sand.
Frau Witt erklärte zuckersüß, dass jeder von uns am Ende des Kurses einmal ein Cavaletto überwinden sollte, und obwohl Annas und Maries Mütter sich dabei panisch in die Mähnen von Toby und Ronnie krallten, kamen alle gut darüber. Es war schließlich nur ein winziger Hupfer. Joker sprang bei jedem normalen Galoppsprung deutlich höher. Aber Mariano hatte längst den Sinn für große und kleine Sprünge verloren. Er strengte sich immer an, sonst bekam er schließlich Ärger mit Heiko. Und
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