Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)
ihn gerne anders vergeben, was der geschäftstüchtige Patrone auch ohne diesen Hinweis getan hätte. Die Reservierung wurde auf »Berg und Thal« eingetragen, wobei Antonio den besonderen Wortwitz nicht verstand. Obwohl er dreißig Jahre in Deutschland lebte, radebrechte er noch immer.
Leah hatte Thal gewarnt, dass eine solche Sonderbehandlung einer Mitarbeiterin zu Gerede im Präsidium führe. Ihn interessierte das nicht. Bettina Berg war eine erstklassige Polizistin, intelligent, mit blitzschneller Auffassungsgabe und der Emphatiefähigkeit ausgestattet, die ein guter Ermittler brauchte. Thal hielt sie für die Beste in seinem Stab mit allen Chancen auf eine große Karriere. Er hatte nichts einzuwenden, als sich zwischen ihr und Tobias eine Beziehung anbahnte. Im Gegenteil, er freute sich für seinen Sohn, der bisher mit Frauen eher Pech gehabt hatte. Dem Altersunterschied, Bettina war damals fünfunddreißig, Tobias sechsundzwanzig Jahre, maß er keine Bedeutung bei. Schließlich lebte er selbst schon viele glückliche Jahre mit einer fünfzehn Jahre jüngeren Frau zusammen. Was genau zwischen Bettina und Tobias vorgefallen war, hatte er nie erfahren. Auf jeden Fall schob er die Schuld am abrupten Ende der erst gerade aufgeflammten Liebe seinem Sohn zu. Später erklärte ihm Bettina, ohne ins Detail zu gehen, sie hätten beide eingesehen, dass ihre Beziehung chancenlos war. Thal mischte sich prinzipiell nicht ungebeten in die Angelegenheiten seines Sohnes ein. Deshalb fragte er ihn nicht nach seiner Version der Geschichte. Zu Bettina aber entwickelte sich eine Freundschaft, die sich wie ein nährender Kokon um ihre Kollegialität legte. Sie arbeiteten weiter ausgezeichnet und mit immer besseren Ergebnissen zusammen. Bald galten sie im Präsidium als unschlagbares Team. Selbst dieser gute Ruf konnte das aufkommende Gerede über eine sexuelle Beziehung der beiden nicht ersticken. Thal machte sich Sorgen, dass die aus der Luft gegriffenen Gerüchte Bettina Bergs Karriere schadeten. Darauf angesprochen, reagierte sie wie erwartet:
»Was interessiert mich das Geschwätz der anderen. Wenn es deswegen nichts wird mit der Beförderung ...«. Zur Vollendung des Satzes schnippte sie mit den Fingern.
Die wöchentlichen Treffen bei Don Antonio wurden zu einem festen Bestandteil nicht nur ihrer Freundschaft, sondern auch ihrer Zusammenarbeit. Mancher Fall wurde hier bei Pasta, dolce und reichlich vino einer Lösung nähergebracht.
»Aperitivo, commissario?«
»Grazie, Antonio, heute nur ein Mineralwasser.«
Der Wirt lupfte leicht die Augenbraue wegen dieser ungewöhnlichen Bestellung und blickte sich gleichzeitig im Raum um, ob nicht ein anderer Gast seiner Fürsorge bedurfte. Nur eine Sekunde später eilte er zu dem langen Tisch in der Mitte des Restaurants, an dem sich eine Gruppe Studenten auf den abendlichen Hexensprung, den traditionellen Auftakt der Fastnacht, einstimmte.
Thal blickte sich um. Der Innenarchitekt, möglicherweise auch Donna Anna, hatte eine Meisterleistung vollbracht. Besser konnte man den Raum nicht aufteilen, jede nur erdenkliche Möglichkeit, einen Tisch aufzustellen, war genutzt. Trotzdem wirkte das Lokal nicht beengt. Gleichzeitig entstand jene besondere Atmosphäre, die Thal in Italien so liebte, wo Restaurants Theaterbühnen glichen, auf denen unter der Regie des Patrone jeder Gast seine Rolle spielte. Lautstark und mit großer Geste, ohne dass sich jemand gestört fühlte. Obwohl der Geräuschpegel im Don Antonio wegen der niedrigen Bogendecke hoch war, kam kein Gast auf die Idee, sich darüber zu beschweren.
Heute war es noch lebhafter, die meisten Gäste waren in freudiger Erwartung der kommenden Fastnachtstage. Man beratschlagte, wo und mit wem man feiern wollte.
Antonio brachte eine große Flasche San Pellegrino an Thals Tisch, als Bettina Berg das Restaurant betrat. Sie winkte ihrem Kollegen zu, während sie den Mantel aufknöpfte und zur Garderobe ging. Die beiden Männer an dem kleinen Tisch gegenüber der Tür unterbrachen ihre Unterhaltung, um ihr nachzusehen. Sie ist eine Schönheit, dachte Thal. Trotz ihrer bald vierzig Jahre hatte sie ihre schlanke, sportliche Figur behalten. Das schulterlange, kastanienbraune Haar war zu einem Zopf geflochten, den sie mit einer Spange hochgesteckt hatte. Dadurch kam ihr Gesicht gut zur Geltung, das von den ausdrucksstarken braunen Augen dominiert wurde. Sie bewegte sich sicher durch die eng gestellten Tische auf ihn zu. Obwohl sie mit
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