Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)
und macht alle anderen schlecht. Aber lassen wir das.«
Antonio trat mit Bettinas Wein und den Salaten an den Tisch.
»Salute, Signora Berge, e bon appetito!«
Schweigend begannen die beiden zu essen. Thal merkte erst jetzt, wie hungrig er war. Er aß schnell und konzentriert. Nachdem er seinen Salatteller geleert hatte, wandte er sich Bettina zu.
»Und wie macht sich Schober?«
Berg dachte einen Moment nach, ehe sie in die Serviette prustete.
»Weißt du, was sein Spitzname im Präsidium ist? Imam! Nicht nur wegen seines komischen Namens, sondern vor allem wegen seiner Art zu sprechen. Er leiert seine Sätze so herunter.«
Thal lachte kurz auf.
»Immanuel Schober. Was Eltern ihren Kindern antun! In der Presse hat er aber passable Kritiken.«
»Noch«, antwortet Bettina Berg. Sie schob den erst halb geleerten Salatteller zur Mitte. »Wenn er in der Einbruchsserie nicht bald die Täter präsentieren kann, wird es für ihn ungemütlich werden. Sechs Einbrüche in fünf Wochen. Alle in Häuser oder Villen angesehener Bürger. Alle im Musikerviertel. Alle ohne Spuren. Und jetzt noch dieser um ein Haar totgeschlagene alte Mann. Der Druck auf Schober wächst jeden Tag, und er macht das, was alle an seiner Stelle täten: Er gibt ihn an uns weiter.«
Erneut trat eine Pause ein, weil Antonio die Salatteller abräumte und die Hauptspeisen servierte. Als beide die ersten Bissen gegessen hatten, nahm Thal das Gespräch auf.
»Haben die Techniker sich den Chip angesehen?«
Bettina Berg schob sich ein Stück Scampi in den Mund, nickte und griff in ihre Handtasche. Nachdem sie sich die Hände an der Serviette abgeputzt hatte, öffnete sie die feine Schreibmappe.
»Man kann auf dem Chip erkennen, mit welcher Kamera die Bilder gemacht wurden.«
Sie blätterte in ihrem Block.
»Hier habe ich es: Canon Ixus 125. Wagner meinte, dass sei eine Allerweltskamera. Seine Tochter hätte die gleiche.«
»Und die Daten auf dem Chip?«
»Datum und Uhrzeit lassen sich in der Kamera frei wählen und jederzeit verändern. Der Techniker meinte, es wäre mühsam, vor jeder Aufnahme die Uhrzeit zu manipulieren. Was die Reihenfolge der Fotos angeht, könnten wir uns auf die Daten vermutlich verlassen. Auf das Datum und die Uhrzeit würde er nicht wetten.«
»Immerhin etwas«, sagte Wagner und spießte eine Venusmuschel auf. »Es bringt uns aber nicht viel weiter. Hast Du mit Restle gesprochen?«
Bettina hatte einen Scampi im Mund und nickte stumm. Erst nachdem sie den Bissen mit einem Schluck Wein heruntergespült hatte, berichtete sie von ihrem Telefonat mit dem Pathologen.
»Du kennst doch den Doc, der legt sich nie fest. Er tendierte aber dazu, dass die Frau während des Fotografierens noch lebte. Schließlich hätte sie keine sichtbaren Wunden und eine schöne, rosa Hautfarbe. Außerdem meinte er, Leichen sähen gewöhnlich nicht derart erotisch aus.«
Thal hatte angespannt zugehört, wobei ihm die aufgedrehten Spaghetti von der Gabel auf den Teller zurückrutschten. Ohne darauf zu achten, sagte er:
»Ich bin nicht so sicher. Auf jeden Fall sagt mir mein Gefühl, dass diese Fotos erst der Anfang sind.«
»Wir können aber nichts tun, Alexander. Kein Opfer, kein Fall.«
»Warten wir den morgigen Tag ab. Wenn ich weitere Fotos bekomme, melde ich mich zum Dienst zurück.«
Thal wunderte sich, wie bestimmt er das sagte. Noch vor einer Stunde war er sich nicht sicher, ob er jemals wieder als Polizist arbeiten wollte. Jetzt konnte er sich vorstellen, morgen im Büro zu sitzen. Als wollte er das vor sich und der Welt bekräftigen, holte er mit ausladender Geste das ärztliche Attest aus der Jackentasche und hielt es in die Höhe.
»Das hier habe ich heute Morgen nämlich noch nicht abgegeben.«
Den Rest des Abendessens plauderten Alexander Thal und Bettina Berg über dieses und jenes, als hätte es die letzten Monate nicht gegeben.
Nach dolci und caffè verließen sie gegen halb zehn das Lokal. Aus der Ferne hörten sie die rhythmischen Töne einer Guggemusikkappelle. Die Fastnacht hatte endgültig begonnen.
***
Wenig später betrat Thal seine Wohnung. Der Abend hatte ihn erschöpft, dabei hatte er das Treffen mit Bettina Berg genossen. Sie war eine Freundin, das hatte er in den letzten Stunden deutlich gespürt. Er schämte sich, dass er sich so lange nicht bei ihr gemeldet hatte. Er hatte nicht viele Freunde, für die sozialen Kontakte war Leah zuständig gewesen, die über eine unermessliche Zahl an nahen
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