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Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Titel: Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Oder sollte er damit warten? Wie viel Geld waren Leahs Werke wert? Er hatte sich nie darum gekümmert, wovon sie ihren aufwendigen Lebensstil bestritten. Sein Beamtengehalt reichte nicht für die Wohnung, die Designermöbel, die jährlichen Fernreisen nach Asien oder in die Karibik, die Wochenenden in Italien. Würde er die Wohnung halten können? Oder war es nicht besser, umzuziehen? Die Fragen stürmten auf ihn ein. Er fühlte sich ihnen nicht gewachsen. Am liebsten liefe er davon oder setzte sich in ein Flugzeug, das ihn so weit weg wie möglich brachte. Nach Neuseeland zum Beispiel. Dorthin hatten sie reisen wollen. In einer Zukunft, die es nicht mehr gab.
    Thal zog eine Jeans und einen warmen Norwegerpullover an. Mit dem Wintermantel darüber würde er nicht frieren. Er trat auf die Straße, schob die Hände in die Taschen und fühlte sein Handy. Eine Minute, nachdem er es eingeschaltet hatte, signalisiert ein Piepen, dass eine Nachricht auf der Mailbox eingegangen war. Bettina berichtete von einem Einbruch, Schober wollte ihn am Tatort sehen. Die Nachricht stammte von ein Uhr dreiundzwanzig. Jetzt war es zwanzig vor sechs. Sollte er Bettina trotzdem anrufen? Als er noch darüber nachdachte, klingelte und vibrierte das Telefon in seiner Hand. Ein müde und verschlafen klingender Mitarbeiter der Post informierte ihn, dass ein Brief in seinem Postfach liege.
    Zehn Minuten später stand Thal im Sortierraum der Konstanzer Hauptpost. Der kleine, weiße Briefumschlag lag auf einem langen Resopaltisch. Thal zog eine Plastiktüte aus der Innentasche seines Mantels und ergriff damit das Kuvert, ohne es zu berühren. Der Postmitarbeiter versicherte, den Umschlag nur mit einer Pinzette angefasst zu haben, die er sich von einer Kollegin ausgeliehen hatte.
    Auf dem Weg zum Präsidium wählte Thal Bettinas Nummer. Er wollte schon auflegen, als sie sich endlich verschlafen meldete.
    »Um diese Zeit hättest du auch nicht mehr anrufen müssen.«
    »Tut mir leid, Bettina. Aber wir haben einen weiteren Brief.«
    Bettina stöhnte hörbar auf.
    »Gut, ich komme.«
     
    Um halb sieben betrat Thal das Präsidium. Er fand keinen Techniker, nach der Nachtschicht in der Villa schliefen sie sich vermutlich aus. Also holte er Puder sowie Klebeband aus Grendels Büro und sicherte selbst Faser- und Fingerspuren am Umschlag. Nachdem er den Chip genauso behandelt hatte, schob er ihn in den PC. Die Datei trug die Bezeichnung »Die Hingabe« und enthielt wie erwartet sechs Fotos. Thal öffnete das mit der Nummer eins.
    Diesmal war es eine sehr junge Frau, achtzehn, höchstens zwanzig Jahre alt. Sie war pummelig, aber nicht dick. Ihr hübsches, auffällig stark geschminktes Gesicht umrahmte die dichten, schwarzen Haare einer Pagenkopffrisur. Sie trug ein weißes Nachthemd mit rotem Halstuch, das typische »Hemdglonkerhäs«. Die Frau saß auf einem Stuhl. Thal brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, dass es sich um den Behandlungsstuhl einer Zahnarztpraxis handelte. Die Körperhaltung war aufrecht, der Kopf fiel zur Seite. Wie die Frau auf den Fotos der zweiten Serie ihren Rock, hielt sie den Saum des Nachthemdes in beiden Händen. Die in einer dicken, bunt geringelten Wollstrumpfhose steckenden Beine waren bis zu den Oberschenkeln sichtbar. Gegen die Kälte hatte sie darüber zusätzlich wollene Kniestrümpfe gezogen. Die schwarzen, mit Fell besetzten Winterschuhe lagen auf dem Boden, als hätte die Frau sie achtlos fallen gelassen.
    Auf dem zweiten Foto war die Frau im Stuhl nach oben gerutscht oder gehoben worden. Der Kopf hing seitlich der Kopfstütze über der Stuhllehne, der Hals war überdehnt. Die Frau hatte Strümpfe und Strumpfhose ausgezogen, oder besser: Sie waren ihr ausgezogen worden, dessen war Thal sich sicher. Die nackten Beine waren leicht gespreizt.
    Auf dem dritten Foto lag das rechte Bein über der hohen Lehne des Zahnarztstuhls. Das linke Bein war stark abgewinkelt, was eine ausgesprochen unnatürliche Position des Körpers bewirkte, der insgesamt weiter nach unten gerutscht war. Obwohl sich der Kopf in Höhe der Rückenlehne befand, war er weiterhin nach hinten gebogen. Die Hände steckten unterhalb des Gummibandes eines winzigen, seidenen, silberfarbenen Tangaslips, der nicht zur sonstigen Kleidung der Frau passte. Alles andere war darauf angelegt, sie zu wärmen, nur der Tanga ließ eher darauf schließen, sie habe sich für ein Rendezvous aufregend kleiden wollen.
    Thal beschloss, über diese Diskrepanz später

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