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Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Titel: Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
    Die Seite trug nur eine Überschrift:
    »Erkennen Sie sich?«
    Ansonsten war sie gefüllt mit kleinen Fotos von mehr oder weniger kostümierten Menschen, die am vergangenen Donnerstag in der Altstadt fotografiert worden waren. Wer sich bis heute Mittag in der Redaktion meldete, erhielt eine Eintrittskarte für den Fastnachtsball am Sonntag. Mitten unter den Bildern waren die Fotos der ersten beiden unbekannten Opfer.
    Thal nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück. Wieder bestand die Arbeit eines Kriminalbeamten vor allem aus Warten.
     
     
    ***
     
     
    Der Sonnenschein lockte Spaziergänger auf die Seestraße. Wie so oft hatte der Föhn den Nebel vertrieben. Es war zwar kalt, aber der Blick über den See war atemberaubend. Obwohl Thal schon so lange in Konstanz lebte, faszinierte ihn dieses Naturschauspiel aufs Neue. Gestern verschwamm der See mit der ihn umgebenden Landschaft noch in einem grauen Nebelmeer, heute stand strahlend weiß und scheinbar in unmittelbarer Ufernähe der Säntis, dahinter leuchteten die gezackten Gipfel der Churfirsten. Blickte man weiter hinaus in Richtung Obersee, glitzerten in der Ferne die Berge der österreichischen Alpen. Wirkte der Bodensee bei getrübter Sicht wie ein grenzenloses Meer, schien er bei Föhn ein Alpensee zu sein, eingebettet in eine grandiose Bergkulisse.
    Aus dem Hotel Riva spazierten zwei ältere Damen, beide in einen Pelzmantel gehüllt, den sie sich in Hamburg oder Berlin kaum noch zu tragen trauten. Hier, auf der Konstanzer Prachtpromenade, wirkten sie keineswegs deplatziert. Um sich warm zu halten, gingen die Frauen erstaunlich schnellen Schrittes in Richtung Hörnle.
    Thal hatte das Präsidium vor zehn Minuten verlassen. Er brauchte einen Spaziergang, um seine Gedanken zu ordnen. Nach Monaten des Stillstands schien Bewegung in sein Leben zu kommen. Nicht, weil er es wollte oder geplant hätte. Ein Fremder, der ihm obszöne Bilder schickte, trieb ihn vor sich her. Warum hatte er ausgerechnet ihn ausgesucht? Welches Ziel verfolgte er? Durch diesen Fotografen war er von einem Tag auf den anderen wieder der Kriminalhauptkommissar Alexander Thal, Leiter des KK 1 der Konstanzer Polizei. Drei Monate wusste er nicht, ob er diese Rolle jemals wieder spielen wollte, jetzt handelte er professionell. Wenn er sich auf den Fall konzentrierte, gab es keine Selbstzweifel. War er tatsächlich Bulle durch und durch, wie Leah am Anfang ihrer Beziehung gesagt hatte? Damals hatte er sich mitten in einer langen Liebesnacht, in der jede Geste, jeder Blick erotisch aufgeladen war, aus ihrer weitere Ekstasen versprechenden Umarmung gelöst, weil ein kleiner Ganove auf frischer Tat gefasst werden konnte. So war es immer gewesen: Eine nicht aufgeklärte Tat, ein ungesühntes Verbrechen störte ihn mehr als alles andere. Als junger Polizist gab es für ihn fast nur die Jagd nach Tätern. Diesem Drang ordnete er sein ganzes Leben unter. Deshalb zerbrach seine Ehe mit Marion, blieb die Beziehung zu Tobias an der Oberfläche und erreichte nie die Tiefe anderer Vater-Sohn-Freundschaften. Erst Leah öffnete seinen Blick auf die Welt. Plötzlich war sie nicht mehr schwarzweiß, sondern bunt und vielfältig. Sie lehrte ihn zu reisen, zeigte ihm die Kunst- und sonstigen Genüsse Italiens, fuhr mit ihm im offenen Cabrio über die Florida-Keys, brachte ihm Schlittschuhlaufen vor dem Rockefeller Center in New York bei. Vor allem aber nahm sie ihn mit nach Asien, wo er vom ersten Moment an das Gefühl hatte, nach Hause zu kommen. Sie reisten durch Indien, Indonesien, Laos, Vietnam und Thailand. Hier in einem kleinen, unbedeutenden buddhistischen Tempel in Pratchuap Khiri Khan ließ er sich von einem alten Mönch in die Kunst der Meditation einweisen. Damals begriff er, was sein Leben bis zu diesem Tag angetrieben hatte. Seinem ständigen Drang, einen Täter zu fassen und der Bestrafung zuzuführen, lag der Wunsch zugrunde, die Harmonie der Welt wiederherzustellen, die von jedem Verbrechen gestört wurde.
     
    Thal hatte den kleinen Jachthafen am Ende der Seestraße erreicht, wo sie in die nicht mehr asphaltierte Promenade überging. Nur wenige Boote lagen im Winter an den Schwimmstegen, die meisten zog man im Herbst aufs Trockenlager. Leahs kleines Boot lag in einer Halle in Staad. Er setzte sich auf eine Bank und schaute auf den See. Die letzte Ausfahrt des vergangenen Jahres kam ihm in den Sinn. Der Wind stand günstig an jenem Sonntag. Früh

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