Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
Media Center in New York zu halten. So hingerissen, wie ich von ihr war, sagte ich ohne zu zögern zu. Am Tag vor der Rede fuhr ich mit Kim Malone Scott, der PR -Chefin von Google, zum Flughafen. Kim ist eine erfahrene Redenschreiberin, und so ging ich davon aus, dass sie mir während des Fluges beim Entwurf einer Rede helfen würde. Bis ich mit der Aufarbeitung meiner ganzen E-Mails durch war, war es allerdings beinahe Mitternacht. Ich wandte mich hilfesuchend an Kim und musste feststellten, dass sie eingeschlafen war. Lange bevor es durch Facebook populär wurde, überlegte ich, ob ich sie anstupsen sollte. Aber ich brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken. Ich starrte auf den leeren Bildschirm meines Computers und war total verloren. Noch nie hatte ich öffentlich darüber gesprochen, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Kein einziges Mal. Ich hatte keinerlei vorformulierte Gedanken oder Notizen, auf denen ich aufbauen konnte. Dann wurde mir klar, wie bezeichnend das war … und dass ich eigentlich eine ganze Menge zu sagen hatte.
Meine Rede am nächsten Tag begann ich mit der Feststellung, dass man uns in der Berufswelt Anpassung beibringt. Allerdings würde ich immer öfter darüber nachdenken, ob das wirklich die richtige Herangehensweise sei. Ich sagte laut und deutlich, dass es zwischen Männern und Frauen Unterschiede gibt, sowohl in ihrem Verhalten als auch in der äußeren Wahrnehmung ihres Verhaltens. Ich erklärte, dass ich diese Dynamiken in der Berufswelt durchaus sehe. Aber um die Probleme lösen zu können, müssten wir über das Thema Geschlecht reden können, ohne dass die Leute glauben, wir riefen um Hilfe, wollten eine Sonderbehandlung oder sie gleich verklagen. An diesem Tag sprudelte ziemlich viel aus mir heraus. Dann kehrte ich nach Nordkalifornien zurück und führte die Diskussion erst einmal nicht weiter.
In den vier Jahren, die dann folgten, hielt ich zwei Vorträge über Frauen am Arbeitsplatz, beide hinter verschlossenen Türen im nahe gelegenen Stanford und vor einem Publikum, das aus weiblichen Fachkräften bestand. Dann rief mich eines Tages Pat Mitchell an und erzählte mir, dass sie TED -Women aufbaue. Sie lud mich ein, über soziale Medien zu sprechen. Ich antwortete, ich hätte ein anderes Thema im Kopf. Ich entwarf eine Rede darüber, wie Frauen im Berufsleben Erfolg haben können (eine Rede, die TED später »Warum wir zu wenig weibliche Führungskräfte haben« genannt hat). Schnell war ich begeistert. Und genauso schnell fand ich heraus, dass niemand meine Begeisterung teilte. Freunde und Kollegen – männlich wie weiblich – warnten mich, dass diese Rede meiner Karriere schaden würde, weil ich damit augenblicklich in der Schublade für weibliche Geschäftsführerinnen landen würde statt in der für richtige Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft. Mit anderen Worten: Ich würde mich nicht anpassen.
Ich hatte durchaus Sorge, dass sie recht haben könnten. Bei TED zu sprechen war etwas anderes als meine bisherigen öffentlichen Reden. Auch wenn ich vor einem mir wohlgesonnenen Publikum sprechen würde, könnte man die Rede anschließend im Internet abrufen, wirklich jeder konnte sie sehen, bewerten und kritisieren.
Bei Facebook nahmen nur wenige Leute Notiz von meinem TED -Talk, und diejenigen reagierten positiv. Doch außerhalb von Facebook formierten sich die Kritiker. Einer meiner ehemaligen Kollegen aus dem Finanzministerium rief an und erzählte, dass »andere« – natürlich nicht er – sich fragten, warum ich öfter über Frauenfragen als über Facebook redete. Ich war seit zweieinhalb Jahren bei dem Unternehmen und hatte unzählige Reden darüber gehalten, wie man Marketingstrategien an die Vernetzung in sozialen Netzwerken anpasst, und genau eine Rede über Geschlechterfragen. Jemand anderes fragte mich: »Und das ist jetzt also dein Ding?«
Damals wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Heute würde ich darauf mit »ja« antworten. Ich habe das zu meinem »Ding« gemacht, weil wir den Status quo verändern müssen. Still zu sein und sich anzupassen war vielleicht tatsächlich das Einzige, was der ersten Generation Frauen in der Wirtschaft übrigblieb; in manchen Fällen ist das vielleicht auch heute noch der sicherste Weg. Aber für die Gesamtheit der Frauen zahlt sich diese Strategie nicht aus. Stattdessen müssen wir den Mund aufmachen, die Hindernisse für Frauen klar benennen und Lösungen finden.
Die Reaktionen auf meinen TED -Talk haben mir
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