Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
offen angesprochen wurde, es lauerte nach wie vor unter der Oberfläche. Nach und nach fielen mir unterschiedliche Einstellungen gegenüber Frauen auf. Mir fiel auf, wie oft Angestellte nicht aufgrund ihrer objektiven Leistung bewertet wurden, sondern anhand des subjektiven Kriteriums, wie gut sie sich angepasst hatten. Da der sommerliche Betriebsausflug bei McKinsey zum Hochseefischen ging und die meisten Firmenessen mit Whiskeytrinken und Zigarrenrauchen endeten, tat ich mich manchmal schwer mit der Anpassung. Eines Abends, ermutigt von meinen männlichen Partnern, nahm ich einen Zug von einer Zigarre – genau wie einer von den Jungs. Nur, dass mir vom Rauchen schlecht wurde und ich tagelang nach Zigarrenrauch stank. Wenn das Anpassung war, dann ohne mich.
Auch anderen schien klar zu sein, dass ich nicht einer von den Jungs war. Als ich 1999 zur Stabschefin im Finanzministerium ernannt wurde, meinten mehrere Leute zu mir: »Dass du eine Frau bist, hat da ja sicherlich geholfen.« Das konnte einen wirklich wütend machen. Es war vielleicht nicht böse gemeint, aber die Implikation war dennoch offensichtlich: Ich hatte die Stelle nicht aufgrund meiner Qualifikationen bekommen. Außerdem gab es sicher für jeden, der mir meinen »Vorteil« offen ins Gesicht sagte, ein Dutzend andere, die darüber weniger höflich hinter meinem Rücken sprachen. Ich dachte über mögliche Reaktionen meinerseits nach. Ich hätte erklären können, dass es meinem Kenntnisstand nach im Finanzministerium keine institutionalisierte positive Diskriminierung für Frauen gab. Ich hätte erwähnen können, dass meine Qualifikationen denen meiner männlichen Vorgänger entsprachen. Falls die Zeit ausgereicht hätte, hätte ich von der jahrhundertelangen Diskriminierung gegen Frauen erzählen können. Oder ich hätte der Person einfach eine kleben können. Jede dieser Optionen habe ich mindestens einmal ausprobiert. Na gut, die Ohrfeige nicht. Doch von denen, die ich versucht habe, hat keine einzige funktioniert.
In dieser Situation konnte ich ganz einfach nicht gewinnen. Dass ich eine Frau bin, konnte ich nicht leugnen. Selbst wenn ich es versucht hätte, hätten es die Leute herausgefunden. Und mich zu verteidigen hätte so … defensiv gewirkt. Mein Bauchgefühl und auch die Signale von anderen warnten mich, dass ich beim Ausdiskutieren wie eine verbissene Feministin ausgesehen hätte. Und das wollte ich immer noch nicht. Ich hatte zudem Bedenken, dass man meinen Verweis auf die Nachteile, mit denen Frauen im Berufsleben konfrontiert werden, als Gejammer oder gar als Wunsch nach einer Sonderbehandlung hätte fehldeuten können. Also ignorierte ich die Kommentare. Ich senkte den Kopf und stürzte mich in die Arbeit.
Dann, als die Jahre vergingen, zogen sich immer mehr Freundinnen und Kolleginnen aus dem Berufsleben zurück. Einige gingen, weil sie das so wollten. Andere gingen aus Frust, vergrault von Unternehmen, die keine Flexibilität ermöglichten – und wurden zu Hause mit offenen Armen von Partnern empfangen, die sich nicht an Hausarbeit und Kindererziehung beteiligten. Wieder andere blieben, aber schraubten ihre Ambitionen zurück, um übergroßen Anforderungen gerecht zu werden. Ich sah, wie das Versprechen von Führungspositionen für Frauen meiner Generation zerfiel. Als ich ein paar Jahre bei Google war, wurde mir klar, dass sich das Problem nicht in Luft auflösen würde. Daher entschied ich mich, auch wenn mir der Gedanke immer noch Angst machte, dass die Zeit der gesenkten Köpfe nun vorbei sei, und ich mich zu Wort melden müsse.
Zum Glück befand ich mich in guter Gesellschaft. Meinen Kolleginnen Susan Wojcicki und Marissa Mayer fiel 2005 ebenfalls auf, dass sämtliche Redner, die den Campus von Google besuchten, großartig, berühmt – und fast immer männlich waren. Als Reaktion darauf gründeten wir Women@Google und luden zum Start der neuen Reihe Lichtgestalten wie Gloria Steinem und Jane Fonda ein, die gerade das Women’s Media Center aufbauten. Als ehemalige Aerobic-Trainerin war ich begeistert, Jane Fonda kennenzulernen – und zog die ganze Zeit den Bauch ein. Nach allem, was ich von der Frauenbewegung wusste, erwartete ich, dass Gloria Steinem eindrucksvoll und brillant sein würde, was sie auch war. Aber sie war auch charmant, lustig und warmherzig – das genaue Gegenteil meines kindischen Bildes der humorlosen Feministin.
Nach der Veranstaltung von Women@Google lud mich Gloria ein, eine Rede am Women’s
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