Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
stiegen ihm in die Augen, als er zugab, dass er sich vorkomme, als habe er die Angestellten und ihre Familien im Stich gelassen. Das gesamte Unternehmen stellte sich der Herausforderung. Starbucks schaffte die Wende und erzielte einige Jahre später seinen höchsten Gewinn.
Vielleicht wird es eines Tages nicht mehr als peinlich oder schwach gelten, am Arbeitsplatz Tränen zu vergießen; vielleicht werden die Tränen dann schlicht als offen gezeigte, authentische Gefühle wahrgenommen. Und vielleicht werden das Mitgefühl und die Sensibilität, die Frauen ausgebremst haben, sie in Zukunft naturgemäß zu Führungspersönlichkeiten machen. Bis dahin können wir alle diesen Wandel beschleunigen, indem wir uns selbst auferlegen, unsere Wahrheit sowohl zu suchen als auch auszusprechen.
Lasst uns darüber sprechen
Manchmal wüsste ich gern, wie es wäre, durchs Leben zu gehen, ohne aufgrund meines Geschlechts abgestempelt zu werden. Wenn ich morgens aufwache, frage ich mich nicht: Was mache ich denn heute, als weibliche Geschäftsführerin von Facebook? , aber als solche werde ich von anderen wahrgenommen. Wenn die Leute über eine Pilotin, eine Ingenieurin oder eine Rennfahrerin reden, dann transportiert die Silbe »in« immer auch etwas Überraschendes. Männer hingegen werden im Berufsleben selten durch diese Geschlechterbrille gesehen. Eine Google-Suche nach »männlicher Vorstandsvorsitzender von Facebook« liefert folgendes Ergebnis: »Es wurden keine mit Ihrer Suchanfrage übereinstimmenden Ergebnisse gefunden.«
Gloria Steinem meinte einmal: »Wer Macht hat, nimmt sich das Substantiv – und die Norm – , während die weniger Mächtigen ein Adjektiv bekommen.« 1 Da niemand als weniger mächtig wahrgenommen werden möchte, lehnen viele Frauen die Geschlechteridentifikation ab und bestehen darauf: »Ich sehe mich selbst nicht als Frau. Ich sehe mich selbst als Romanautor / Sportler / Experte / was auch immer.« Damit haben sie recht. Kein Mensch will, dass die eigenen Erfolge relativiert werden. Wir wollen alle einfach nur das Substantiv sein. Aber die Welt hat eben ihre Mittel und Wege, um Frauen daran zu erinnern, dass sie Frauen sind und Mädchen daran, dass sie Mädchen sind.
Zwischen meinem vorletzten und letzten Jahr auf der Highschool arbeitete ich in Washington für William Lehman, den Abgeordneten meines Heimatwahlkreises. Präsident des Repräsentantenhauses war zu der Zeit der legendäre Tip O’Neill, ein Abgeordneter aus Massachusetts. William Lehman versprach mir, mich ihm vor Ende des Sommers vorzustellen. Doch die Zeit verging, und nichts geschah. Und es geschah einfach nichts. Dann, am allerletzten Tag der Sitzungsperiode, löste er sein Versprechen ein. Im Foyer vor dem Plenarsaal des Repräsentantenhauses zog er mich auf die Seite, damit ich den Parlamentspräsidenten O’Neill kennenlernen konnte. Ich war nervös, doch Lehman beruhigte mich, indem er mich so nett wie möglich vorstellte und dem Parlamentspräsidenten erzählte, dass ich den ganzen Sommer über hart gearbeitet hätte. Der Parlamentspräsident schaute mich an, langte dann zu mir herüber und tätschelte meinen Kopf. Er wandte sich an den Abgeordneten und bemerkte: »Sie ist hübsch.« Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder mir und stellte genau eine Frage: »Bist du so ein Pom-Pom-Mädchen?«
Ich war am Boden zerstört. Wenn ich heute daran zurückdenke, ist mir klar, dass seine Worte nett gemeint waren und mir schmeicheln sollten, aber in dem Moment fühlte ich mich nur herabgesetzt. Ich wollte Anerkennung für meine Leistung. »Nein«, antwortete ich, »dafür lerne ich zu viel.« Dann überkam mich Panik, weil ich so mit dem Mann geredet hatte, der die Nummer drei im Staat war. Doch niemand schien von meiner barschen und sicher nicht sonderlich schlauen Antwort Notiz zu nehmen. Der Parlamentspräsident tätschelte mir nur den Kopf – schon wieder! – und ging seines Weges. Mein Abgeordneter strahlte.
Selbst für mich als Teenager war diese Art Sexismus von gestern. Der Parlamentspräsident wurde 1912 geboren, acht Jahre bevor Frauen das Wahlrecht erhielten. Als ich ihm im Foyer des Congress begegnete, hatte sich die Gesellschaft (im Großen und Ganzen) gewandelt. Dass Frauen alles können, was Männer können, war offensichtlich. In meiner Kindheit gab es unzählige Premieren – Golda Meir in Israel, Geraldine Ferraro als Vizepräsidentschaftskandidatin im Wahlkampf von Präsidentschaftskandidat Mondale, Sandra
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