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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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den kleinen Park vor dem Heimatmuseum, dessen Zugang von
riesigen Walkieferknochen gesäumt war.
    Als sie schließlich an Petersens Mühle vorbeigingen, fragte
Lena: »Weißt du eigentlich, wo wir heute Abend hin müssen? Ich meine, hast du
die genaue Adresse?«
    Leander schüttelte den Kopf.
    »Wenn ich gleich den Kamin anzünde, gehst du zu Frau Husen und
fragst danach. Bei der Gelegenheit kannst du ihr sofort einen guten Rutsch
wünschen, dann hätten wir den Pflichtbesuch auch erledigt.«
     
    Wenig später – Leander kniete noch vor dem Kamin – kam Lena
mit einem Zettel in der Hand in die Wohnstube.
    »Merkwürdige Straßennamen«, sagte sie und zeigte Leander das
Papier. »Söler Kaalkamp. Und schau dir die Wegbeschreibung an: Dunsem Stich,
Lung Jart, Jaardenhuug, rechts in Bi Trentaft, links in Tribergem, dann wieder
rechts in Söler Kaalkamp. Wo sind wir hier eigentlich?«
    »In Friesland, mein Schatz. Das ist garantiert Föhringer Platt,
oder Fering, wie die Feringer sagen«, erklärte Leander in übertrieben
klugscheißerischem Ton, wofür er sich von Lena einen Klaps auf den Hinterkopf
einfing.
    Er schloss die Glastür der Brennkammer, in der sich nun eine
immer größer werdende Flamme an einem Stapel kleiner Holzscheite labte, die
Leander turmartig aufgeschichtet hatte. Sie rückten zwei Sessel vor den Kamin
und spürten der Wärme nach, die ihnen langsam in die erfrorenen Glieder kroch.
    Später zogen sie sich für die Silvesterparty um, verpackten
zwei Rotweinflaschen als Mitbringsel und machten sich gegen neunzehn Uhr
fünfzehn auf den Weg zum Parkplatz. Die Straße nach Utersum führte durch
Nieblum, vorbei am etwas zurück liegenden Restaurant Lohdeel . Lena
staunte, wie groß diese Insel war und an wie vielen weiteren Inseldörfern sie
vorbei kamen.
    »Die Namen enden alle auf -um«, stellte sie fest. »Nieblum,
Oldsum, Midlum, Alkersum, Utersum.«
    »Das ist auch wieder Friesisch und heißt Heim«, erklärte
Leander. »Nur Wyk und Süderende heißen nicht so. Wyk hat seinen Namen von der
Bucht, an der es liegt, denn Wyk heißt Bucht und der Ort hieß früher Bi de Wyk,
also an der Bucht. Na, und Süderende erklärt sich ja von selbst. All diese
Dörfer wirken schon im Sommer ziemlich abgeschieden, aber jetzt ist das hier
echt der Arsch der Welt. Dabei ist so eine Insel doch eigentlich ganz
übersichtlich und alles liegt eng beieinander. Die Entfernungen sind für uns
Großstädter geradezu lächerlich. Aber wahrscheinlich verschieben sich die Verhältnisse
einfach und damit auch die Wahrnehmung.«
    »Das Gefühl für Raum und Zeit ist anders auf so einer Insel«,
bestätigte auch Lena nun. »Ich könnte mich, glaube ich, daran gewöhnen.
Ehrlich. Zumindest an den Wochenenden und im Urlaub.«
    Sie legte Leander eine Hand auf sein rechtes Bein und rutschte
so weit zu ihm hinüber, wie der Sicherheitsgurt es zuließ.
    In Utersum irrten sie trotz Frau Husens Zettel eine Weile durch
die Dorfstraßen, was laut Leander schlicht und einfach daher kam, dass sie das
Dorf nicht über den Dunsem Stich erreicht hatten, wie Frau Husen es
vorhergesagt hatte, sondern über eine Straße ohne Namen, die schließlich in
einer Rechtskurve in den Jaardenhuug überging. Sie kamen also von der falschen
Seite, warum auch immer. Leander hatte dann beschlossen, seinem
Orientierungssinn zu vertrauen, und war links in eine Gasse namens Teewelken
abgebogen und an deren Ende rechts, was sich schließlich als fatale Fehlentscheidung
erwies, denn nun fuhren sie komplett in die falsche Richtung. Dazu kam, dass
die Dorfstraßen nicht einfach gerade verliefen und in rechten Winkeln
aufeinanderstießen, sondern sie knickten plötzlich und unvermittelt weg und
flossen häufig in spitzen Winkeln ineinander. Leander musste mehrmals
zurücksetzen, weil sich die Wege in Hecken zu verlieren drohten und einmal
sogar auf dem Parkplatz des Kurgasthauses endeten.
    Schließlich erblickte Lena rechter Hand ein Straßenschild mit
der ersehnten Bezeichnung Söler Kaalkamp und lotste Leander geradeaus auf ein
hell erleuchtetes Reetdachhaus zu. Allerdings war »Haus« eher ein Diminutiv für
die herrschaftliche Villa, die sich da vor ihnen aus den Wiesen und Hecken
erhob. Entlang der Zufahrt flackerten Fackeln im Wind, und einige sehr teure
Limousinen parkten bereits außerhalb des weißen Holzzaunes.
    Leander fuhr seinen Volvo
etwas abseits zu einem Parkstreifen und stellte ihn so ab, dass er für den
Rückweg bereits in Fahrtrichtung

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