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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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ich nicht, tut mir leid.«
    Die beiden LKA-Beamten
verabschiedeten sich mit ihrer schweren Fracht und ließen den Schulbeamten an
seinen Schreibtisch zurückkehren. Sie wählten heute einen möglichst direkten
Rückweg, weil ihnen die Plastiktaschen in die Hände schnitten, was angesichts
der Kälte noch unangenehmer war.
     
    Froh, wieder in der warmen Stube zu sein, ließen sie sich
auf das Sofa fallen und breiteten zunächst den Inhalt der Tüte mit den Papieren
aus Kiel auf dem Wohnzimmertisch aus.
    Die endlosen Listen waren offenbar das komplette Ergebnis, aus
dem Lena vor ein paar Tagen Ausschnitte am Telefon mitgeteilt worden waren.
Erst nach einigem Sortieren und Hin-und Herschieben auf dem Wohnzimmertisch
meinte Leander, Zusammenhänge erkennen zu können. In einer Transport-Liste mit
Namen von Kindern aus dem Jahr 1939 fanden er und Lena schließlich auch den
Namen Stefan Wilhelmsen. Der Junge war zu dem Zeitpunkt sieben Jahre alt
gewesen, und ganz offensichtlich hatte er sich alleine, also ohne seine Eltern,
auf dem Transport befunden.
    »Findest du irgendeinen Hinweis darauf, was für ein Transport
das war?«, fragte Leander Lena, die einen Papierstapel mit Erläuterungen vor
sich liegen hatte.
    Lena blätterte vor und zurück und tippte schließlich mit dem
Zeigefinger auf eine Textstelle.
    »Hier, das muss es sein. In der Zeit zwischen November 1938 und
August 1939 sind etwa zehntausend jüdische Kinder aus ganz Deutschland von
ihren Eltern nach England geschickt worden. Damals waren sie im Reich nicht
mehr sicher, wie wir ja wissen, und ihre Eltern haben das auch geahnt. Zunächst
gab es Probleme, weil kein Land sie haben wollte. Eichmann hat zwar von Wien
aus dem Transport zugestimmt – unter der Bedingung, ihn nicht an die große
Glocke zu hängen –, aber Schweden, die Schweiz, Australien und die USA haben
abgelehnt, die Kinder aufzunehmen. Durch die Vermittlung einflussreicher englischer
Juden hat die Regierung in London sich schließlich bereiterklärt. Die
Transporte gingen zunächst mit der Reichsbahn in die Niederlande, dann weiter
mit dem Schiff nach England. Dort wurden die Kinder auf englische Familien
verteilt. Kannst du sehen, woher Stefan Wilhelmsen gekommen ist?«
    »Aus Leipzig«, antwortete Leander und deutete auf den
Städtenamen hinter dem Geburtsdatum.
    »Da hat der kleine Kerl eine ganz schöne Odyssee hinter sich
gebracht, und das ganz alleine, ohne seine Eltern. Heute sind die Kinder schon
durch Kleinigkeiten traumatisiert, damals hat kein Mensch danach gefragt.«
    »Es ging ja auch um Leben und Tod«, wandte Leander ein.
    »Eben, und heute? Lass uns mal in den anderen Listen nach den
Namen der Eltern suchen. Vielleicht sind sie ja hinterhergereist.«
    Sie teilten die übrigen Emigrantenlisten unter sich auf und
suchten gezielt nach dem Namen Wilhelmsen, aber sie fanden keine Einträge, die
mit dem Wohnort Leipzig übereinstimmten.
    »Dann nehmen wir uns jetzt die Listen aus England vor«,
bestimmte Lena und schob den Stapel deutscher Papiere zur Seite.
    Nach einiger Zeit stießen sie wieder auf den Namen Williamson.
Der kleine Stewart war 1938 bei seiner Einreise in England registriert worden.
Dahinter war der Name Spalding verzeichnet, versehen mit der Ortsangabe Glendale/Sussex .
    »Das heißt, Stefan Wilhelmsen hat England unversehrt erreicht,
wurde unter dem Namen Stewart Williamson eingebürgert und an eine Familie
Spalding in Glendale in der Grafschaft Sussex vermittelt«, fasste Leander
zusammen. »Wir müssen also nur noch die Listen ab November 1938 durchsuchen, um
zu sehen, ob die Eltern unter dem Namen Wilhelmsen, Williamson, Williams oder
ähnlich ebenfalls nach England eingereist sind.«
    »Das können wir uns sparen«, widersprach Lena. »Hier ist der
Bericht der Detektei, die dein Großvater beauftragt hat. Danach ist ein Ehepaar
Williamson, vormals Wilhelmsen aus Leipzig, nach geglückter Flucht im Jahr 1939
von den englischen Behörden registriert worden. Im Nachlass Stewart Williamsons
haben die englischen Kollegen den Bericht eines Genealogen gefunden, den
Stewart Williamson offenbar beauftragt hat. Danach handelt es sich bei den
registrierten Williamsons eindeutig um Stewarts – oder soll ich sagen Stefans?
– Eltern, die mit Hilfe einer verdeckt operierenden Organisation über die Insel
Föhr zunächst nach Dänemark und dann weiter nach England geflohen sind. Das ist
der Beweis für die Aktivitäten deines Großvaters und seiner Freunde. Die
Williamsons

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