Leaving Paradise (German Edition)
sie in seine. Oh, wie ich früher davon geträumt habe, wir würden Händchen halten. Ich träumte, er würde meine Hand in seine nehmen und wir würden gemeinsam die Straße hinuntergehen. Ich hebe den Blick zu seinen Augen auf. Normalerweise sind sie dunkel und grüblerisch, aber in diesem Moment entdecke ich eine Wärme in ihnen, die mir bisher noch nie aufgefallen ist. Er führt mich zu der alten Eiche. Wir setzen uns beide, er lehnt sich neben mir gegen den Stamm und lässt meine Hand los. »Okay, jetzt erzähl es mir.«
Es ist leicht, weil ich ihn dabei nicht angucken muss. Ich kann einfach mit allem heraussprudeln, das gerade falsch in meinem Leben läuft. Ich hole tief Luft. Ich werde versuchen alles loszuwerden, ohne gleich wieder hysterisch zu werden. »Meine Mom hat jemanden zum Essen eingeladen. Ihren Boss, der auch Mrs Reynolds’ Sohn ist. Ich glaube, Mom mag ihn, aber ich weiß nicht, ob ich schon damit klarkomme, dass sie Verabredungen hat. Ich weiß, es ist selbstsüchtig, aber mein Dad hat mich seit der Scheidung praktisch ignoriert. Er hat wieder geheiratet, musst du wissen. Und ich glaube, seine Frau möchte ein Kind, dabei hat er doch schon eins. Um allem die Krone aufzusetzen, verlangt mein Arzt von mir, dass ich wieder Tennis spiele, und jedes Mal, wenn ich daran denke, schnürt sich mir die Kehle zu und ich vergesse zu atmen … und dann rufe ich ausgerechnet dich an, weil ich das Gefühl habe, du wärst der Einzige, mit dem ich reden kann. Was bescheuert ist, weil du es bist.«
Caleb spielt mit einem Büschel Gras, das er aus dem Boden gerupft hat. »Glaubst du, deine Mom wäre mit diesem Reynolds-Typen glücklich?«, fragt er.
Ich denke daran zurück, wie Mom auf dem Herbstfestival gelacht hat und wie aufgeregt sie vorhin war. »Ja, das glaube ich. Aber genau das macht mir Angst. Es ist, als würde man ein Kapitel in seinem Leben beenden und ganz neu beginnen. Eine alleinerziehende Mutter, Männerbesuch … so viel hat sich verändert.«
»Du machst dir viel zu viel Sorgen wegen dem, was sein könnte. Tu etwas, das dich von den Dingen ablenkt, die vielleicht niemals eintreffen werden.«
»Was zum Beispiel?«
»Nimm einen Tennisschläger in die Hand.«
»Das ist nicht witzig«, sage ich. Die Panik hat mich schon wieder im Griff und ich spüre das Bedürfnis, zu fliehen.
»Ich versuche gar nicht, witzig zu sein, Maggie.« Ich höre ihn seufzen, ein Hauchen, das langsam ausgestoßen wird. »Darf ich deine Narben sehen?«
Oh mein Gott. »Nein.« Ich schüttle vehement den Kopf, ohne den Blick vom Boden zu heben. Und ich bin mir bewusst, dass ich jetzt schwerer atme.
»Bitte flipp jetzt nicht aus, Maggie.«
»Mach ich nicht.«
»Tust du wohl. Ich war im Gefängnis für etwas, das ich dir angetan habe, und ich habe keinen Schimmer, wie es aussieht.«
Ich wende ihm den Kopf zu und blicke in seine Augen, die dunkler und hypnotischer sind, als ich sie je erlebt habe. »Wieso guckst du mich so an?«
»Erinnerst du dich an den Unfall?«, fragt er, vollkommen auf meine Antwort konzentriert.
Ich schüttle den Kopf.
»Du erinnerst dich an nichts? Unser Gespräch vor dem Unfall, wie ich dich angefahren habe? Rein gar nichts? «
»Nein, es ist alles weg. Ich weiß nur, was die Leute mir erzählt haben.«
Er blinzelt und wendet den Blick ab. »Wir haben gestritten, du und ich.«
»Worüber?«
Er lacht kurz und zynisch. »Kendra.«
Ich versuche gleichmäßig weiterzuatmen, damit er mir nicht anmerkt, dass ich mich sehr wohl erinnere. An jedes Wort, das er mir entgegenschleuderte, als ich ihm sagte, dass ich ihn liebte. Es ist der einzige Teil jener Nacht, der mir glasklar vor Augen steht. Der Rest liegt hinter einem nebligen Schleier verborgen. »Ich erinnere mich nicht«, lüge ich.
»Du hast gesagt, sie würde mich betrügen, dass du sie mit einem anderen gesehen hättest, aber du wolltest mir nicht verraten, mit wem. Du hattest recht, weißt du«, sagt er. »Sie hatte was mit Brian, bevor ich ins Gefängnis kam.« Wieder starrt er mich an und dieses Mal gelingt es mir nicht, den Blick abzuwenden. »Du hast auch gesagt, du liebst mich.«
Ich schlucke, immer noch hypnotisiert von seinen Augen. Diese Augen, die mir noch vor einem Jahr nicht mehr als einen flüchtigen Blick gewährten, scheinen jetzt zu lodern. Ihr Blick brennt sich mir ein. »Ich erinnere mich nicht«, flüstere ich.
»Maggie …« Er nimmt meine Hand in seine und legt sie mit der Innenseite an seine Wange, deren raue
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