Leaving Paradise (German Edition)
stehen und dreht sich zu mir um. »Du brauchst etwas, um deine Garderobe aufzupeppen, Margaret. Du trägst nur grobe Stoffe und, um ehrlich zu sein, deine Kleider sind alle ein bisschen zu unförmig und schlicht.«
Ich gucke an meiner schwarzen Baumwollhose und meinem grauen T-Shirt runter. »Sie sind bequem.«
»Und völlig angemessen, um zu Hause darin zu entspannen. Aber heute Abend werden wir schön essen und ich möchte, dass du dich fein machst. Betrachte es als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk.«
Die Verkäuferin führt uns zu einem Ständer mit kurzen Cocktailkleidern. »Diese hier sind soeben aus Europa eingetroffen. Es ist eine neuartige, unempfindliche Seidenmischung.«
Mrs Reynolds reibt den seidigen aquamarinfarbenen Stoff des Kleides zwischen ihren Fingern. »Zu steif. Sie ist Baumwolle gewöhnt, daher hätte ich gern etwas Anschmiegsameres.«
»Ich trage keine kurzen Kleider«, eröffne ich den beiden.
Die Frau führt uns in eine andere Ecke des Geschäfts. »Wie wäre es mit einer Baumwoll-Wollmischung?«
Mrs Reynolds schüttelt den Kopf. »Zu warm.«
»Rayon?«
»Klebt zu sehr am Körper.«
Ich rechne damit, dass die Verkäuferin langsam die Lust verliert, aber sie legt nur grübelnd die Hand ans Kinn. »Ich habe da vielleicht etwas hinten, das Sie interessieren könnte. Warten Sie hier.« Sie geht ins Hinterzimmer des Ladens und kommt eine Minute später mit einem gelben Kleid über dem Arm zurück. Als sie es Mrs Reynolds hinhält, sagt sie: »Es ist aus Schweden. Ein neuer Lieferant hat es uns zur Begutachtung geschickt.«
Mrs Reynolds mustert das Kleid, dann reibt sie die Ecke des Stoffes zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich finde das Material wunderbar, aber die Farbe ist scheußlich. Sie würde darin wie eine quietschsaure Zitrone aussehen.«
»Wir haben es auch in einem Fliederton bekommen. Ich hole es rasch.«
»Das ist eine wunderschöne Farbe«, sage ich, als sie das fliederfarbene Kleid bringt. Ich probiere es in der Umkleide an. Es hat Spaghettiträger und einen runden Halsausschnitt. An der Taille liegt es eng an, dann fällt der Stoff in großzügigen Wellen bis zu meinem Knöchel. Als ich auf den Spiegel zugehe, kann man kaum sehen, dass ich hinke.
Die Verkäuferin lächelt, als ich das Kleid präsentiere. »Ich würde sagen, das ist es.«
Mrs Reynolds schnalzt mit der Zunge. »Es ist perfekt. Wir nehmen es.«
»Du hast eine sehr großzügige Großmutter«, sagt die Verkäuferin zu mir.
Ich werfe Mrs Reynolds einen Blick zu, die in einer anderen Ecke des Ladens ein weiteres Kleid unter die Lupe nimmt. »Ich weiß. Ich hätte mir selbst keine bessere aussuchen können.«
Als ich zurück zur Umkleide gehen will, um das Kleid auszuziehen, hält Mrs Reynolds mich davon ab. »Behalt es an, Margaret. Wir gehen von hier aus essen und du wirst nicht genug Zeit haben, dich umzuziehen.«
»Welches Kleid werden Sie anprobieren?«
»Alte Frauen brauchen keine neuen Kleider. Jetzt Schluss mit dem Geplapper und weiter geht’s.«
Ich stemme die Hände in die von fliederfarbenem Stoff umschmeichelten Hüften. »Ich verlasse diesen Laden nicht, ehe Sie sich ebenfalls ein neues Kleid gekauft haben.«
Mrs Reynolds steht der Mund offen vor Schock.
»Guck mich nicht so überrascht an, Grandma «, sage ich in einer Kopie ihrer berühmten Redewendung. »Es steht dir nicht gut zu Gesicht.«
Ihr Mund schnappt zu. Dann wirft sie den Kopf in den Nacken und brüllt vor Lachen.
Eine halbe Stunde später sitzen wir wieder im Cadillac. Ich möchte noch hinzufügen, dass Mrs Reynolds ein neues himmelblaues Kleid aus einem Seide-Rayon-Gemisch mit dazu passendem Jäckchen trägt.
»Ich möchte, dass Sie für das Kleid Geld von meinem Lohnscheck nehmen. Ich bestehe darauf«, sage ich.
Mrs Reynolds lächelt nur, ohne zu antworten.
»Es ist mir ernst, Mrs Reynolds.«
»Das weiß ich, Liebes, und ich schätze es sehr. Aber ich bezahle es trotzdem aus eigener Tasche.«
Ich schüttle genervt den Kopf. »Wohin geht es jetzt?«
»Zu einer Kuchenschlacht.«
»Hu?«
»Fahr einfach zu Auntie Mae’s Diner und du wirst schon sehen.«
Ich wende den Wagen und fahre zum Diner.
Mrs Reynolds duckt sich. »Fahr zum Hintereingang, wo die Mülltonnen sind«, flüstert sie. »Und sorg dafür, dass uns niemand sieht.«
Die Frau meint es ernst. Ich lasse mich in meinem Sitz tiefer sinken und lenke das Auto im Schneckentempo zur Rückseite des Restaurants, als wären wir hier, um den Laden auszurauben. Ich
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