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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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Mit einem Motorrad tut das hingegen richtig weh und ab dem Moment, in dem du am eigenen Leib erfahren hast, dass Motorradfahren wehtun kann, verhältst du dich ganz anders. Der, der nicht dazulernt und das eigene Verhalten amMotorrad ändert, spielt mit seinem Leben oder trägt womöglich bleibende Schäden davon.
    Im Leben wollen wir – im übertragenen Sinne – diese Grenzbereiche nicht wahrnehmen. Oft können wir es auch nicht, muss man fairerweise dazu sagen. Wir spüren im Leben die unmittelbaren negativen Rückkopplungen nicht, die uns das Motorrad ohne Zeitverzögerung übermittelt. Wenn du mit dem Motorrad in eine Kurve hineinfährst, spürst du, wenn es über das Vorderrad zu rutschen anfängt. Bei vielem, das wir im Leben tun, wenn wir über das Ziel hinausschießen, bekommen wir zuerst sogar eine positive Rückkopplung und keine negative. Das Abreißen des Grips passiert dann nicht wie auf dem Motorrad „jetzt“, sondern zeitverzögert, irgendwann später. Der Sturz, der Crash, passiert also erst in der Zukunft.
    All das, was wir seit den Siebzigerjahren ansteuern – seit diese Statistik gemacht wurde, die wir uns gerade angesehen haben –, bringt uns zunächst positive Rückkopplungen: Mehr Geld, mehr Waren, immer alles sofort verfügbar haben, alle Möglichkeiten ausschöpfen, noch höher bauen, Autos noch schneller werden lassen, noch schwerer; immer mehr, mehr, mehr. Da bekommt man vielleicht sogar 50 Jahre lang lauter positive Rückkopplungen und erst spät merkt man: „Hoppla, wir haben etwas übersehen. Wir sind über das sinnvolle Maß hinausgeschossen.“ Die Folgen unseres Verhaltens, das wir in den letzten Jahrzehnten an den Tag gelegt haben, spüren wir ja jetzt noch nicht. Wir denken nur darüber nach, was passieren könnte, das ist aber eine virtuelle Geschichte. Ob beispielsweise wir beide überhaupt noch die wahren Folgen spüren werden, das wissen wir nicht. Unsere Nachfahren, die nächsten Generationen, die Kinder, die Enkel, die Urenkel, werden sie ganz bestimmt spüren. Für uns, kurzfristig gedacht, gibt es relativ wenige Gründe, unser Handeln zu verändern. Es ist so, als würden wir miteinem Motorrad fahren und fahren und fahren und dabei wissen, dass es ohnehin nicht dich aus dem Sattel reißen wird, sondern erst den nächsten, der aufsitzen wird. Genau das ist das Traurige an gesellschaftlichen Diskussionen, wenn es zum Beispiel um den Klimawandel und ähnliche Probleme geht. Nehmen wir als Beispiel den CO 2 -Ausstoß: Wie viele Kilogramm an CO 2 ich ausstoße, kann ich nicht einmal sehen. Ich erhalte diesbezüglich keine unmittelbare Rückkopplung. Wie soll das unser Gehirn verstehen? Es begreift den Schaden nicht, den wir anrichten.
    Ein anderes Beispiel: Wenn ich auf meinem Acker eine Missernte verzeichnen muss, vielleicht wegen einer Überschwemmung oder weil der Frost kommt, dann stehe ich davor und sehe es: „Jetzt ist jetzt passiert!“ Und ich weiß: „Jetzt bin ich in einer schlimmen Situation, jetzt muss ich schauen, dass ich überlebe. Jetzt!“ Momentan scheint für uns noch alles zu funktionieren. Wo gibt es Probleme mit der Umwelt? Ich blicke in meinen Garten hinaus und kann die Frage stellen: „Wo bitte läuft da in unserer Umwelt etwas falsch?“
    Natürlich können wir derzeit auch nicht zu hundert Prozent sicher sein, dass alles, was Experten zum Beispiel über den Klimawandel sagen, wirklich stimmt. Wir wissen es nicht genau – auch die vielen Zukunftsforscher nicht, die sich ausrechnen, wie es im Jahr 2050 um das Klima stehen wird, und die schon jetzt voraussagen, um wie viel der Meeresspiegel steigen wird, die Gletscher abschmelzen werden, es hier Dürre, dort Überschwemmungen geben wird. Das ist nichts weiter als Kaffeesatzlesen. Keiner der Zukunftsforscher weiß, wie sich Menschen verhalten werden. Sie können nicht wissen, wie wir uns letztendlich verändern werden und ob wir nicht innerhalb von zehn Jahren vieles ganz anders machen werden. Vielleicht werden wir bis dahin vor gänzlich anderen Problemen stehen und der Klimawandel wird uns vollkommen egalsein, weil dann ganz unerwartet ein Virus auftauchen wird, oder wir dahinterkommen werden, dass irgendetwas in unsere Umwelt gelangt ist, das die Kinder so richtig krank machen wird. Eigentlich sind wir ohnehin schon fast so weit, wenn ich an all die zigfach geimpften Kinder denke, die Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben, während sich niemand fragt: „Warum ist das

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