Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
Ausgangspunkt dafür haben wir meinen Selbstversuch „Gültige Stimme“, mein seit 2. Januar im Internet veröffentlichtes Videotagebuch, gewählt. Dabei geht es um die Kunst des Weglassens, um meinen persönlichen Rückzug aus unterschiedlichen Systemen. Clemens hat sich in den letzten Tagen etwa hundert Tagebucheinträge angesehen. Armer Clemens, aber er hat es ja selbst so gewollt. Dabei sind für ihn sicher einige Fragen aufgetaucht, die er mir nun stellen wird und ich werde sie so gut wie möglich beantworten und dabei, wie ich mich kenne, vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Gut möglich, dass wir sogar übers Motorradfahren reden werden, eines meiner Fachthemen. Ich habe keine Ahnung, wie lange unsere Gespräche dauern werden. Geplant sind vorerst drei Tage. Da werden die Kameras quietschen und ächzen. Unmengen an Gerede werden auf Datenspeichern komprimiert werden.
Falls es uns nach drei Tagen genug erscheint – und ich denke, das wird es – ist damit mein Beitrag zu diesem Buch vorerst geleistet. Danach wird eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Verlages (ich weigere mich, „MitarbeiterIn“ zu schreiben, denn die Zeit für den männlichen Mitarbeiter muss alleine schon aus Respekt vorhanden sein) die undankbare Aufgabe erhalten, stundenlanges, undeutliches und dialektlastiges Geplaudere ins Hochdeutsche zu transkribieren. „Nau, do wean sa se dabei fest auscheiß’n“. Die transkribierte Rohfassung wird dann an den „Schreiberling“ Clemens G. Arvay übermittelt werden und dann: Ran an die Tasten, mein lieber Freund! Zusammenfassen, streichen, kopieren, einfügen, verschieben. Kurzum: stundenlanges Geplappere in Buchform bringen. Clemens, Clemens, darum werde ich dich nicht beneiden.
Nach einigen Wochen der Vorfreude wird dann ein dickes Kuvert mit dem Manuskript in meinem Postkasten landen. Das ist dann fast ein wenig wie Weihnachten. Vielleicht noch ein paar kleine Korrekturen und Verbesserungsvorschläge meinerseits und dann ab in die Druckerpresse. So werden heute Bücher gemacht. Vielleicht hatten Sie auch die naive Vorstellung von einem Autor, der monatelang seine Ergüsse unter Schmerzen zu Papier bringt, mit dem Manuskript von Verleger zu Verleger wandert, dabei die Klinken putzt und mit Menschen, die er gar nicht so recht leiden kann, essen geht und auf die Veröffentlichung seines Werkes hofft. Ähnliche Vorstellungen hatte auch ich einmal im Kopf. Aber die Welt dreht sich nun schneller und überholt sich fallweise selbst. Hinten ist plötzlich Vorne. Es kann auch beim Motorradfahren – übrigens ebenfalls „fallweise“ – passieren, dass dich das Hinterrad überholt. Dies endet aber zumeist mit einem Bauchklatscher.
Was ich mir wünsche: „Leb wohl Schlaraffenland“ soll kein Buch über mich werden, sondern über all jene Menschen, die so wie ich auf der Suche nach dem „Guten Leben“ sind und dasselbstständige Denken nicht verlernt haben. Ich zähle mich dazu. Die Lust am Schreiben hat man mir in der Schule genommen, die Freude am Sprechen nicht, da ich etwas zu sagen habe. Das Selbstdenken konnte ich mir bewahren. Aber das ist nicht unbedingt eine Frage der Bildung.
Ah, Clemens winkt herüber, die Kameras sind bereit. Möge unsere Übung gelingen!
Und damit ich es nicht vergesse: Ein Vorwort werde ich irgendwann noch schreiben müssen, aber dabei werde ich mich wohl kurz fassen.
Roland Düringer, 5. Juli 2013
Ein kurzes Nachwort als zweites Vorwort zum vorliegenden Buch
Heute ist der 25. September 2013 und die erste Version des Manuskripts zu unserem Buch ist fertig. Krystian vom Verlag war es, also ein „MitarbeiterIn“, der es in kurzer Zeit geschafft hatte, stundenlang gesprochenes, nur bedingt deutschsprachiges Wort aus Videoaufnahmen in Schriftform zu bringen. Wieder jemand, der mich sicher nicht mehr hören und sehen kann. Danke und meine Hochachtung, lieber Krystian.
Und auch meinen Respekt an dich, Clemens. Es ist dir gelungen, Ordnung und Sinn in die folgenden Seiten zu bringen und unser Gespräch lesbar und übersichtlich darzustellen. Ich weiß: Meine Gedanken springen oft schnell, ich rutsche vom Hundertsten ins Tausendste, wiederhole mich manchmal gebetsmühlenartig und schaffe es einfach nicht, das Motorrad aus philosophischen Gesprächen herauszuhalten.
Die Versuchung meinerseits war groß, das vorliegende Manuskript umfangreich zu bearbeiten, etwas hinzuzufügen, weil es mir jetzt beim Lesen noch eingefallen ist, weil es einfach
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