Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
ihrer Pracht und Vielfalt ist zum Morgenappell angetreten – Leben in Hülle und Fülle. Alle Pflanzen sind Krieger des Lichts. Ich schreite die unregelmäßigen Reihen meiner stummen Diener ab, erbiete dem Garten meine Dankbarkeit für seine täglichen Gaben und lausche dabei auf meine innere Stimme: „Wie wär’s mit einem frischen, saftigen Apfel, mein Freund?“
Meine innere Stimme und ich sind mittlerweile wirklich gute Freunde geworden, das war aber nicht immer so. Vielleicht lag das daran, dass sie früher zu leise sprach oder ich einfach ein schlechter Zuhörer war.
„Gute Idee“, denke ich mir, steuere zielgerichtet einen meiner Apfelbäume an und traue meinen noch etwas verschlafenen Augen nicht. Eine Gruppe von Leuten hat vor meinem Apfelbaum Aufstellung genommen. „Das kann’s jetzt aber nicht sein, jetzt klettern mir die Autogrammjäger schon über meinen Gartenzaun! Jetzt rauscht’s aber gleich im nicht vorhandenen Blätterwald!“
Mein Schritt wird schneller und energischer und mein Auge liefert mir Bilder von unpassend, nämlich gut und teuer,gekleideten Damen und Herren. Teilweise mit Smartphones hektisch hantierend, also offensichtlich in meinem Garten völlig fehl am Platz.
„Frage: Was machen Sie da in meinem Garten?“
„Wirtschaft“, antwortet einer der ungebetenen Besucher, vom Gehabe her offenbar der Anführer des Rudels.
„Aha. Dann würde ich doch vorschlagen, Sie machen ihre Wirtschaft anderswo.“
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
„Sollen die verkleideten Herrschaften doch da stehen, bis ihnen die Füße bei den Schulterblättern herauswachsen“, denke ich mir und greife nach einem meiner Äpfel.
„Finger weg“, zischt es hinter mir.
Das kann ich jetzt aber nicht glauben, ich drehe mich in bester Italo-Western-Manier langsam um und suche den Augenkontakt mit dem Alphamännchen.
„Wie bitte? Ich glaub, ich hab mich da jetzt ein wenig verhört, oder?“
Die Antwort gibt mir das Alphaweibchen im Chanelkostüm: „Das mit Ihren Äpfeln funktioniert in Zukunft ein wenig anders.“
„Ach, tatsächlich? Und wer sagt das?“
„Ich“, antwortet mir das Alphamännchen und steckt dabei sein Smartphone in die Brusttasche seines Sakkos. „Mein Name ist billa, ich bin Nahrungsmittelhändler und verkaufe unter anderem auch Äpfel.“
„Ach, Sie sind also der Herr BILLA ?“
„Ja, natürlich!“
Da stellt mir doch mein Hausverstand gleich eine berechtigte Frage: „Und wer sind dann die anderen Herrschaften? Vorstandsmitglieder des REWE -Konzerns? Herr MERKUR und Frau ADEG ?“
Die Antwort gibt mir prompt das Chanelkostüm: „Ganz im Gegenteil. Wir sind die Konkurrenz, aber in diesem speziellen Fallziehen wir ausnahmsweise am selben Strang. Mein Name ist SPAR und ich bin zuständig für Natur*pur“
Wie kann man nur mit solchen Silikontitten, Botoxlippen und dem verlogensten Lächeln des Universums für „Natur pur“ zuständig sein?
„Darf ich Ihnen die Herren lidl und hofer vorstellen?“
„Bitte nicht“, antworte ich, „mir ist ohnehin schon schlecht. Aber jetzt einmal zurück zum Ursprung. Sie spazieren hier unangemeldet in meinem Garten umher, hindern mich am Äpfelpflücken, benehmen sich wie schlechte Reserve-Sheriffs … Kommt Ihnen nicht in den Sinn, dass sie ganz kräftig am Watschenbaum rütteln?“
In meiner Wahrnehmung waren meine letzten Worte ziemlich unmissverständlich und hatten schon etwas Bedrohliches, in Herrn billas Wahrnehmung aber eher weniger: „Schauen Sie, guter Mann“, sagt er, „wir sollten uns doch wie erwachsene Menschen benehmen. Ihr Watschenbaum interessiert uns reichlich wenig. Was hingegen unser Interesse geweckt hat, ist Ihr Apfelbaum und um diesen wird sich jetzt unser Herr Josipovic kümmern.“
Ein kleiner Mann in rotem Arbeitsmantel tritt hinter meinem Holunderstrauch hervor, in seinen Händen hält er eine leere Obstkiste.
„Der Herr Josipovic ist unser Apfelpflücker.“
„Mit seinen 1,52 ist der aber als Apfelpflücker eine Fehlbesetzung, der Gartenzwerg, oder?“ Ein Scherz, der in dieser erlauchten Runde kein Publikum findet.
„Und wie soll das jetzt in Zukunft mit meinen Äpfeln funktionieren?“
„Ganz einfach“, murmelt der bis jetzt schweigsame Herr HOFER in seinen langen Bart hinein, „Sie können sich in Zukunft Ihre Äpfel bei einem von uns kaufen.“
„Nah und frisch, sozusagen“, witzelt Frau spar.
Diesmal kann ich nicht lachen, stelle aber folgende Bemerkung in den nicht
Weitere Kostenlose Bücher