Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
noch gesagt gehört, anderes wieder wegzustreichen, weil es mir entbehrlich erscheint, manche Passagen umzuschreiben, weil man es ja viel besser hätte sagen können. Aber dann wäre es ja nicht mehr das, was es ist: ein schriftliches Dokument unserer Sommergespräche. So habe ich mich auf kleine Korrekturen beschränkt, um möglicherweise Unverständliches klarer zu machen und vom Videoband falsch Transkribiertes zu berichtigen. (Mein Zug fährt eben vom Bahnhof ab und nicht vom Bauernhof, obwohl ich – wie von Krystian sicher richtig gehört – „Baunhof“ sagte.) Denn nur so kann es bleiben, was es ist. Gesprochenes Wort, ohne ein künstliches Netz. Aussagen, die im Moment aus dem Bauch kommenund nicht mehrmals durch den Kopffilter gehetzt worden sind. Und so sollten Sie es auch lesen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bei uns, still wie ein Mäuschen, und hören Clemens und mir beim Reden zu – fast wie im „richtigen“ Leben, bloß mit einer kleinen Einschränkung: Sie können nicht mitreden. Schade eigentlich, denn wir hätten uns sicher vieles zu sagen!
Roland Düringer, 25. September 2013
Das gute Leben
Clemens G. Arvay: William James, Begründer der modernen wissenschaftlichen Psychologie und einer der einflussreichsten Philosophen der Vereinigten Staaten von Amerika, schrieb bereits 1902: „Glücklich zu werden, glücklich zu bleiben und Glück wiederzugewinnen, ist tatsächlich für fast jeden Menschen das geheime Motiv für alles, was er tut.“ Welche Rolle spielen Glück und Glücklichsein in deinem eigenen Leben und Schaffen?
Roland Düringer: Ich würde es gar nicht Glück nennen, denn das bekommt dann sofort diesen Beigeschmack, als wäre jemand anderer dafür verantwortlich, zumindest manchmal, ein bisschen. Glück kann man zum Beispiel in einer bestimmten Situation haben: „Na, da habe ich aber Glück gehabt!“ Es kann zum Beispiel Glück sein, wenn mir irgendetwas erspart bleibt. Wenn ich mit dem Motorrad fahre und nicht stürze, ist es oft Glück.
Manche erwarten auch von einem anderen Menschen, dass er sie glücklich macht. Das Unpassendste, das man jemandem sagen kann, den man liebt, ist: „Du machst mich glücklich.“ So hängt man ihm eine furchtbare Verantwortung um. Was geschieht, wenn dieser Mensch die Erwartungen nicht mehr erfüllt? Dann beginnt man womöglich, ihn abzulehnen, weil er plötzlich nicht mehr glücklich macht.
Ich bin nicht auf der Suche nach dem Glück, sondern – so, wie vermutlich viele Menschen – nach einem guten Leben . Das Schöne daran ist, dass es für jeden etwas anderes bedeutet, ein gutes Leben zu führen. Daher suchen ja auch nicht alle dasselbe. Gott sei Dank, sonst müsste man ja um das gute Leben kämpfen. (lacht)
Ein gutes Leben ist für mich viel mehr und umfassender als bloß Glück zu haben. Zu einem guten Leben gehört, dass manmanchmal mit dem Motorrad auch stürzt. Wenn man das einigermaßen übersteht, kann man daraus sehr viel lernen, weil man dann weiß, wie es ist, zu stürzen. Ein gutes Leben ist für mich daher nicht zwingend ein stets nur glückliches Leben. Ein gutes Leben macht manchmal glücklich, dann auch wieder unglücklich, aber es ist eben dennoch ein gutes Leben. Stetig Unglück zu haben ist natürlich kein gutes Leben.
In diesem Punkt hat sich meine Sichtweise in den letzten Jahren sehr verändert. Die Frage „Was ist ein gutes Leben?“ beantworte ich heute anders als früher. Nachdem ich mich vor mehr als 30 Jahren entschlossen hatte, den Beruf zu ergreifen, den ich heute noch ausübe, war für mich ganz klar, was ein gutes Leben ist: Gut zu leben bedeutete für mich damals, auf der Bühne erfolgreich zu sein, ein applaudierendes Publikum zu haben. Es bedeutete, von vielen Menschen gerne im TV gesehen zu werden oder dass viele Zuseher in die Kinosäle strömten, wenn es einen Film mit mir zu sehen gab. Ich glaubte, in der Presse von Journalisten gelobt zu werden, führe zu einem guten Leben, auf der Straße erkannt zu werden, freundlich begrüßt zu werden. Das waren meine Vorstellungen vom guten Leben, die relativ lange anhielten. In dieser Phase verdiente ich viel Geld – und zwar auf eine sehr einfache Art und Weise, indem ich nämlich schlichtweg das tat, was mir am meisten Spaß machte: schauspielen. Rückblickend kann ich behaupten, dass dies eher „Glück“ war, dass ich also in einer glücklichen Lage war, mit der Tätigkeit Geld zu verdienen, die ich gerne ausübte und die ich auch dann
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