Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
Definition nicht ganz, da ich ja für den materiellen Überfluss und die Anerkennung nicht viel Ungeliebtes tun musste, außer Zeit zu investieren. Die Leistung selbst, das Schauspielen, ist mir gewissermaßen in den Schoß gefallen. Es liegt mir ganz einfach und es fiel mir immer sehr, sehr leicht. Ich sagte niemals: „Jetzt muss ich mich da reinhängen, das muss noch besser werden. Ich muss und muss und muss …“ Ich tat es einfach, weil ich es konnte. Erst vor ein paar Jahren fing ich an, über Reduktion nachzudenken: „Okay, ich spiele nicht mehr sechsmal pro Woche Theater, sondern nur mehr dreimal. Ich spiele im Sommer gar nicht mehr und drehe in den Sommermonaten keine Filme. Ich verbringe mehr Zeit für mich und mit meiner Familie.“ Bereits das war eine bedeutende Reduktion, da somit von meinen finanziellen Einnahmen ein großer Teil wegfiel. Ich musste zwangsläufig auch das Materielle reduzieren, das wiederum nichts anderes als Luxus war. Wenn man auf Luxus verzichtet, fällt ja nichts weg, was wirklich Einfluss auf das gute Leben hat.
Nachdem mein Weg der Reduktion ein freiwillig gewählter ist, kann man ihn auch gerne als ein Experiment bezeichnen, das ich an mir selbst durchführe.
Das Leben als Experiment
Durch die Unabhängigkeit, die mein Beruf mit sich bringt, habe ich nun das Privileg, mir Zeit nehmen zu können. Ich kann es mir also leisten, Zeit zu investieren, um mit dem Leben an sich zu experimentieren. Und ich habe in meinem Leben tatsächlich schon einige Experimente durchgeführt. Jetzt, während dieses Gesprächs, sitzen wir zum Beispiel in meinem Garten, den ich vor fünf Jahren angelegt habe und der davor einfach eine grüne Wiese war. Ich pachtete diese Fläche von einem lieben Nachbarn, um mir mein eigenes Gemüse anzubauen. Auch das war eine Art Experiment. Ich wollte wissen, wie sich das Leben mit einem Garten und in einem Garten anfühlt.
Warum ich ständig auf der Suche nach solchen Experimenten bin, ist relativ einfach erklärt: Es ist ein beachtlicher Teil meines Berufs, zu experimentieren und Erfahrungen zu machen. Auch außerkörperliche! (lacht)
Wenn man Schauspieler ist, schlüpft man in die Rollen anderer Personen. Dazu muss man Menschen sehr genau beobachten, ihr Verhalten studieren. Man muss aber auch sich selbst beobachten können, seine eigenen Verhaltensmuster erkennen. Erst dann kann man sich selbst ablegen, um in eine Rolle zu schlüpfen.
Ich muss weg sein, damit jemand anderes da sein kann – darin liegt das wirklich Spannende an dem Beruf des Schauspielers.
Was mich schon immer fasziniert hat, ist, dass man in einer Rolle plötzlich Dinge tun kann, die man üblicherweise nicht tun, ja sogar strikt ablehnen würde. Um aber nicht nur eine Maske zu kreieren oder eine flache Karikatur einer Figur darzustellen, sondernstattdessen wirklich in dieses gespielte Wesen hineinzuschlüpfen – oder besser gesagt: dieses Wesen in sich hineinzulassen –, muss man selbst ein Stück zurücktreten.
Ein guter Schauspieler beobachtet andere nicht nur und äfft sie nach, kopiert sie, karikiert sie, sondern versteht, weshalb er in seiner Rolle dieses und jenes tut. Wenn man erkennt, warum eine Figur das tut, was sie tut, wenn man also begreift, was sie antreibt, dann hat man irgendwann die Fähigkeit, dieses Wesen förmlich in sich hineinzulassen.
Ich denke zum Beispiel an meine Rolle als Herr Breitfuß. Dieser war eine Figur, die ich in der TV-Serie „MA 2412“ und im gleichnamigen Kinofilm spielte.
Roland Düringer als Engelbert Breitfuß in der satirischen Sitcom „MA 2412“, die in den Jahren 1998 bis 2002 im Auftrag des Österreichischen Rundfunks produziert und ausgestrahlt wurde.
Die Figur des Herrn Breitfuß war sehr, sehr weit von dem entfernt, was ich selbst bin. Um den Charakter authentisch spielen zu können, musste ich diesen fiktiven Menschen dennoch verstehen und genau wissen, weshalb er sich so oder so verhielt und wie er innerlich funktionierte. Seit ich das weiß, kann ich in jederLebenssituation Herr Breitfuß sein. Ich muss nur den Schlüssel finden und umdrehen. Herr Breitfuß ist allerdings keine real existierende Person, die ich irgendwann im Leben traf, dieser Charakter entstand aus einer Sammlung vieler Beobachtungen an unterschiedlichen Menschen. Hat man den Schlüssel zur Figur gefunden, muss man sie ausprobieren, am besten im Alltag. Dann gehe ich einkaufen wie Herr Breitfuß. Ich kaufe Dinge, die ich selbst nicht kaufen würde. Was
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