Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
fortgesetzt hätte, wenn ich dafür hätte bezahlen müssen.
Vor dieser Zeit hatte ich tatsächlich bezahlt, um meinen Beruf ausüben zu können. Ich musste nämlich zuerst einem sogenannten „Brotberuf“ nachgehen, um es mir leisten zu können, auf einer Bühne zu stehen und vor einer Handvoll Zusehern das zu sagen, was zu sagen mir wichtig war. Neben dem Schauspiel fuhr ichalso mit einem Lieferwagen. Das war das, was ich konnte: Auto fahren. Ich arbeitete im Lager einer Handelsfirma und lieferte 30 Stunden pro Woche kleine Elektronikbauteile aus. Abends spielte ich manchmal Theater. Am Anfang hatten wir mit unserer Kabarettgruppe „Schlabarett“ im Schnitt geschätzte sieben Zuseher, an Wochenenden manchmal fünfzehn, weil wir dann acht Verwandte mit hineinzerrten. Irgendwann bemerkten wir, dass wir, wenn wir sehr sparsam lebten, vom Theaterspielen über die Runden kommen konnten. Dann wagte ich den Schritt und sagte mir selbst: „Ich höre auf zu arbeiten, ich lebe jetzt wirklich von der Kunst, oder besser gesagt von meiner künstlerischen Tätigkeit.“ Das war zur Mitte der Achtzigerjahre.
Dass ich diese Leidenschaft zu meinem Beruf machen konnte, war eben Glück, denn in dieser Situation sind sehr wenige Menschen. Ich glaube sogar, dass für viele durch ihren Arbeitsplatz mehr Leid als Freude entsteht.
Es ist doch wirklich eine unglaubliche Gnade, etwas zu tun, das man sehr gerne tut und worüber man sagt: „Ich will genau das, ich möchte nichts anderes, mir ist es aber völlig egal, wie viel Geld ich damit verdiene. Ich möchte gerade so viel haben, um durchzukommen und überleben zu können.“ Das hätte schon genügt und darin besteht ja im Grunde bereits das gute Leben. Als aber dann ganz plötzlich wirklich irrsinnig viel Geld in meine Kasse floss, weil sich immer mehr Menschen für das, was ich tat, zu interessieren begannen, war mein gutes Leben nicht mehr nur, das zu tun, was ich gerne tat, sondern noch dazu, mir alles kaufen zu können, was ich wollte. Ich fing an, mehr zu kaufen, als ich brauchte, und sogar mehr, als man wollen kann, aus dem einfachen Grund, dass ich die finanziellen Mittel dazu hatte. Irgendwann standen 30 Autos bei mir zu Hause – das geht weit übers Wollen hinaus. Vom Brauchen ganz zu schweigen.
Schon bald bemerkte ich, dass ich, nachdem ich mir irgendein neues Auto gekauft hatte – eine Corvette oder eine Dodge Viper, einen sogenannten „Traumsportwagen“ – letztlich nicht mehr Freude daran hatte als viele Jahre davor, als ich mir ein Paar Turnschuhe gekauft hatte. Das war eigentlich genau das gleiche Glückserlebnis, aber der Überfluss war ein Teil meines Lebens geworden und entsprach dem, was ich damals als gutes Leben empfand. Ich konnte alles haben, was ich wollte.
Irgendwann fing der Überfluss an, mir zu wenig zu sein. Interessanterweise deshalb, weil ich bemerkt hatte, dass ich mich eigentlich sehr mit äußerlichen Dingen beschäftigte, die keine echte Befriedigung darstellten. Ich konnte all das Materielle gar nicht benutzen, weil ich keine Zeit dafür hatte. Ich war ausgelastet durch meine künstlerische Arbeit, die vielen Auftritte – bis zu sechs mal pro Woche – durch das Drehen von Filmen, aber auch durch das Kaufen von Dingen, die ich nicht nutzen konnte, weil mir ja wie gesagt die Zeit dazu fehlte.
Ich begab mich dann erneut auf die Suche. Es war nicht so, dass ich mir dachte „ab jetzt ändere ich mein Leben“, sondern ich stellte mir die Frage, ob meine Vorstellungen vom guten Leben nicht vielleicht Irrtümer gewesen waren – ob es da nicht mehr gab. Inzwischen hat sich für mich herausgestellt, dass weniger mehr ist. Meine Sichtweise eines guten Lebens hat sich bis in die Gegenwart sehr verändert und sie wandelt sich noch immer. Wenn man mir heute, am 5. Juli 2013, die Frage stellt, wie man ein gutes Leben führt, antworte ich:
Ein gutes Leben hat man dann, wenn man an das Leben selbst wenige Ansprüche stellt – oder besser gesagt, nicht ans Leben, sondern an die eigene Lebensgeschichte. Ist es nicht schon ein Denkfehler, zu glauben, dass man ein Lebenhat? Ist es nicht vielmehr so, dass wir ein Leben sind? Wenn man also mit wenig sehr gut auskommt, mit wenig zufrieden sein kann, seine Lebensgeschichte nicht über das Haben sondern über das Sein definiert, und daher auch wenig Ungeliebtes tun muss, um eine schöne Lebensgeschichte zu schreiben, dann ist es ein gutes Leben.
Für meine eigene Vergangenheit stimmt diese
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