Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
Riesenschluck heiße Schokolade runter und versengte mir fast den Rachen. »Ja, schade, schade. Aber immerhin hab ich einen gefährlichen Paranormalen erwischt, und das war doch schließlich das Ziel, stimmt’s?«
»Natürlich, und das hast du auch sehr gut gemacht. Tut mir leid, dass es kein so einfacher Auftrag war, wie ich behauptet hatte.«
»Tja, am besten pflanzt ihr Jack einen GPS-Sender ein oder so. Klar ist er, verglichen mit den Feen, ein Fortschritt, aber nur ein mikroskopisch kleiner. Und die haben mich wenigstens nie in einen Fluss plumpsen lassen. Gib mir bitte niemals Missionen in der Nähe von steilen Klippen, okay?« Wer wusste schon, wo er mich da abwerfen würde.
»Nächstes Mal lässt du einfach ihn zuerst rausgehen.«
Lachend schüttelte ich den Kopf. »Gute Idee.«
Zu meiner Überraschung fragte sie mich nach der Schule und es war sowohl surreal als auch vollkommen normal, mich mit Raquel über meinen großen Dracula- Aufsatz, die Englischarbeit, bei der ich wegen des Trollabenteuers immer wieder kurz vor dem Einnicken gewesen war, und meine Probleme mit Miss Lynn zu unterhalten. Fast fühlte ich mich zurückversetzt in die Zeit, als ich mir gerne vorgestellt hatte, Raquel wäre meine Mom, und davon geträumt hatte, so etwas wie das hier mit ihr zu unternehmen.
Es war wirklich nett.
»Und wie läuft es mit Lend?«
Ich blickte in meine dahinschwindende heiße Schokolade. »Nicht so toll. Ich, äh, hab ihm irgendwie nicht so richtig erzählt, dass ich wieder für euch arbeite.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Und er hat’s rausgefunden.«
»Hmmhmm. Wie du dir denken kannst, war er nicht gerade begeistert.«
Sie nickte mitfühlend und nahm meine Hand. »Zugegeben, Lend und ich hatten einen etwas holprigen Start« – nur Raquel würde die Tatsache, dass Lend sie niedergeschlagen hatte, woraufhin wir ihn in einer Zelle in der Zentrale eingesperrt und verhört hatten, als »etwas holprigen Start« bezeichnen – »aber ich weiß, dass er dich sehr gern hat, und ich bin mir sicher, dass ihr zwei das wieder hinkriegt.«
»Danke, ich –«
Doch das Piepsen ihres Kommunikators riss uns aus unserem kleinen Fetzen Normalität. Sie las die Nachricht, stieß dann ihren »Warum bloß hat der Tag nur vierundzwanzig Stunden?« -Seufzer aus und sah mich entschuldigend an. Ich winkte ab.
»Kein Stress. Geh du mal ruhig die Welt retten. Ich arbeite weiter an meiner Karies.«
Sie zögerte. »Es tut mir wirklich leid, Evie. Manchmal fürchte ich, dass es ein Fehler war, dich zurückzuholen. Vielleicht war das einfach egoistisch von mir. Aber ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin.« Sie lächelte und tätschelte mir die Hand. »Ich melde mich.«
»Daran hab ich keinen Zweifel.«
»Sag Bescheid, wenn du bei deinem Aufsatz Hilfe brauchst. Oder falls ich irgendwas in der Sache mit Lend ausrichten kann.«
Als sie ging, erfüllte mich eine Wärme, die nicht nur von meinem Kakao herrührte. Obwohl die letzte Mission so ein Desaster gewesen war, hatte sich alles irgendwie gefügt. Und Raquel wiederzuhaben bedeutete mir mehr, als ich gedacht hatte. Das war doch wohl die eine oder andere Nahtoderfahrung in Schweden wert, oder etwa nicht? Lend würde es verstehen. Ich musste es ihm nur richtig erklären.
Eine Busfahrt und drei Stunden später war ich völlig erschöpft vor lauter Grübelei darüber, wie genau ich das anstellen sollte. Lend hatte mir keine feste Zeit genannt, wann er ankommen würde, also lag ich mit dem Handy in Griffweite auf der Couch und suchte nach einer Position, in der mein Steißbein nicht so wehtat.
Irgendwann holten mich die Abenteuer der letzten Nacht ein und ich fiel in einen unruhigen Schlaf. Eine sanfte Hand, die mir das Haar aus dem Gesicht strich, weckte mich. Lend war in die Hocke gegangen und auf Augenhöhe mit mir. »Hey«, sagte er leise.
»Hey!« Schnell setzte ich mich auf- zu schnell – und der plötzliche Schmerz ließ mich aufwimmern.
»Was ist?«
»Gar ni–« Ich hielt inne. »Ich hab mir gestern Abend ziemlich fies das Steißbein geprellt.«
»Wie das?«
»Ich bin auf eine Treppenstufe gefallen.«
»Wo?«
»In Schweden.«
Ein Teil der Besorgnis wich von seinem Gesicht und er lehnte sich ein Stück zurück. »Oh. Und was hast du in Schweden gemacht, dass du dabei auf eine Treppenstufe gefallen bist?«
»Mit einem Vampir gekämpft?«
Seine Miene versteinerte. »Also ist es wirklich vollkommen ungefährlich, dass du wieder für die IBKP
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