Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
hinzuzufügen.
Ehrlich gelogen
Stirnrunzelnd sah mich Raquel über ihren schwarzen Kaffee hinweg an. »Wenn ich nur sehe, was du da trinkst, fallen mir schon die Zähne aus.«
»Ein Glück, dass die IBKP hervorragende Betriebszahnärzte beschäftigt.« Ich lächelte und rührte mit einer Zuckerstange in meiner heißen Schokolade mit doppelter Schlagsahne. Wir saßen in einem kleinen Café mit freundlich gelb gestrichenen Wänden und plüschigen Sesseln in schummrig beleuchteten Nischen, wo einzelne Gäste koffeinbefeuerte Werke von zweifelhafter Genialität in ihre Laptops tippten. Ich hatte den Laden ausgewählt, weil er geradezu lächerlich früh Getränke mit Weihnachtsaromen anbot (während diverse Spinnen und Fledermäuse von der Decke hingen und Halloween ankündigten) und weil er eine halbstündige Busfahrt von zu Hause entfernt war, sodass die Chance, dort jemanden zu treffen, den ich kannte, relativ gering war. Ich bezweifelte zwar, dass einer meiner Werwolf- oder Vampirfreunde Raquel erkennen würde, aber ich zog es vor, nicht die Probe aufs Exempel zu machen.
»Wirklich nett hier.« Zum wiederholten Mal rieb sie über einen Fleck auf dem Tisch und starrte dann ein knutschendes Pärchen in der Ecke gegenüber an. Wenigstens hatte sie überhaupt eingewilligt, sich hier mit mir zu treffen. Na gut, das lag wohl vor allem daran, dass ich mich schlicht und ergreifend geweigert hatte, für den Bericht über meine Mission in die Zentrale zu kommen.
Na ja, Bericht … Eigentlich tischte ich hier gerade eine Lüge nach der anderen über die Aktion auf.
Meine Geschichte über die Trolle, die nur auf der Durchreise waren, hatten wir schon abgehandelt. Ich widerstand dem Drang zu fragen, ob der Vampir irgendetwas über sie gesagt hatte. Wenn ja, und wenn das bedeutete, dass ich aufgeflogen war, würde ich es früh genug erfahren. Es gefiel mir gar nicht, Geheimnisse vor Raquel zu haben, aber manchmal ging es eben nicht anders. Jack hatte ihr erzählt, dass ich beinahe ertrunken wäre, also hatte ich ihr weisgemacht, dass eine plötzliche Strömung mich dem Fossegrim entrissen und ans Ufer gespült hatte. Kein Grund, ihr noch mehr Sorgen zu bereiten. Der Über-Vamp war schon mehr als genug für ein Treffen.
Ich erschauderte bei der Erinnerung an seinen Griff um mein Handgelenk und an das, was ich mit ihm vorgehabt hatte. »Ihr lasst ihn doch wohl nicht aus dem Verwahrungstrakt raus, oder?«
»Selbstverständlich nicht. Er ist viel zu instabil, selbst für die simpelsten Aufgaben. Aber es war richtig, dass du niemandem erzählt hast, warum er so stark ist. Das ist in der Tat eine beunruhigende Entwicklung. Mir ist noch nie ein Vampir begegnet, der es auf andere Paranormale abgesehen hat, und die Tatsache, dass ihm das hilft, seine natürlichen Vampirschwächen zu überwinden – nun ja, das halten wir wohl am besten unter Verschluss.« Sie stieß einen »Warum kann nicht mal irgendetwas einfach sein?« -Seufzer aus.
»Gut. Der Typ ist ein Psychopath, selbst nach Vampirmaßstäben. Und das will was heißen.« Ich lehnte mich zurück und versuchte, eine Position zu finden, in der mein verletztes Steißbein nicht wehtat. Irgendwie musste ich noch einen Weg finden, das vor Lend geheim zu halten, wenn er heute Abend kam.
Nein. Keine Geheimnisse mehr.
»Hey, und was ist mit den Elementargeistern? Meinst du, dass der Vampir vielleicht –« Mir wurde leicht übel bei der Vorstellung, Vivs Mördertour könnte sich derart wiederholen. Mehr paranormale Tote als diejenigen, über die ich sowieso schon ständig nachgrübeln musste, würde ich nicht ertragen können.
Raquel schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube nicht, dass das irgendetwas miteinander zu tun hat. Es hat keinerlei Todesfälle, keine Leichen gegeben. Es stimmt, dass beinahe jeder Elementargeist, den wir identifiziert und mit dem wir Kontakt haben, verschwunden ist, aber sie sind nun mal eine ungewöhnliche Spezies – das weißt du ja. Wir verfolgen ihre Aktivitäten immerhin erst seit ein paar Jahrzehnten, also könnte das, soweit wir es beurteilen können, auch einfach ihr ganz normales Verhalten sein.«
Erleichtert nickte ich. Nicht noch mehr Gewalt. Ich würde es Lend erzählen müssen, ihm sagen, dass seine Mom nicht als Einzige verschwunden war. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob es das nun besser oder schlimmer machte.
Raquel trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Aber das mit den Trollen ist wirklich schade.«
Hastig kippte ich einen
Weitere Kostenlose Bücher